090 - Der Verlorene der Todeswelt
»Leben« hier in einer anderen Form? Und war es mir freundlich oder feindlich gesinnt?
Verdammt, dachte ich unbeherrscht. Es wäre ja zu schön gewesen, um wahr zu sein, wenn alles glattgegangen wäre.
In letzter Zeit übermannte mich häufig die Wut. Das hatte es früher nicht gegeben. Früher war ich ein ausgeglichener Mensch gewesen.
An dieser nachteiligen Veränderung war das schleichende Marbu-Gift schuld, das sich in mir befand. Es bestand die Gefahr, daß es mich eines Tages zum Bösen wandeln würde.
Bislang hatten meine Freunde und ich noch keine Möglichkeit gefunden, das Gift aus meinem Körper zu verbannen. Pater Severin hatte es mit einem Exorzismus versucht und dabei seinen Verstand verloren. [2]
Ich hatte eine Reihe von schweren Kämpfen hinter mir und fühlte mich ausgelaugt. Eine Verschnaufpause hätte mir gutgetan, doch ich konnte sie mir nicht gönnen.
Ich mußte herausfinden, wo ich mich befand, und wenn es nicht die Erde war, wo ich gelandet war, mußte ich eine Möglichkeit finden, von hier wieder fortzukommen.
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, beobachtet zu werden, doch ich konnte meine Augen noch so anstrengen, ich entdeckte niemanden.
Trotzdem erschien es mir angeraten, von hier fortzugehen. Eine Richtung war so gut wie die andere. Ich wandte mich von der Sonne ab und ging dorthin, wohin mein kurzer schwarzer Schatten wies.
Ich ging dem Grauen entgegen, aber ich ahnte es nicht.
***
Efrem Murdock starrte Mortimer Kull entgeistert an. »Warum?« schrie er fassungslos. »Warum soll er mich töten?«
»Es ist ein Test«, antwortete der Professor eisig und ließ den Dingen ihren Lauf.
Sono atmete heftig. Seine finsteren Augen richteten sich auf Murdock, und unter seinem schwebenden runden Körper, zwischen den hin und her schlagenden Fangarmen, kam ein aggressives Zischen hervor.
Murdock erstarrte. Er neigte den Kopf zurück, sein Körper bog sich nach hinten, er hob abwehrend die Arme und vermochte sich nicht vom Fleck zu rühren.
Sono kam langsam näher.
»Das… das können Sie nicht wirklich wollen, Professor!« stöhnte Efrem Murdock. »Nach allem, was ich für Sie geleistet habe. Ich sollte Ihnen zu wertvoll sein, um an dieses Ungeheuer ›verfüttert‹ zu werden.«
Kull grinste. »Halten Sie sich für unersetzlich, Murdock?«
»Ja! In gewisser Weise bin ich das!«
»Sie schätzen sich zu hoch ein. Es gibt nur einen einzigen Menschen, der nicht zu ersetzen ist, und das bin ich !«
Sonos Tentakel schleiften über den glatten PVC-Boden. Es hörte sich an, als würde man dickes altes Leder über den hellgrauen Belag ziehen.
»Bitte, Professor!« schrie Murdock. »Rufen Sie ihn zurück!«
Doch Mortimer Kull tat nichts dergleichen. Ungerührt verfolgte er das Schauspiel. Eine ungeheure Genugtuung erfüllte ihn. Er brauchte Atax ab sofort nicht mehr, war in der Lage, dessen Magie zu kopieren. Er war der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der dazu in der Lage war.
Ich bin ein Genie ! schrie es triumphierend in Mortimer Kull. Ich bin genauso stark und unbesiegbar wie ein Dämon!
Murdock schüttelte endlich die Lähmung ab und stakste entsetzt zurück. Er hatte schreckliche Angst vor dem Tod, vor allem vor einem Ende, wie es ihm Sono bereiten sollte.
Er stöhnte seine Angst heraus und überlegte fieberhaft, wie er sich retten konnte. Sono stieg vor ihm einen halben Meter hoch. Nun berührten seine Tentakel nicht mehr den Boden.
Sein runder Körper war an der Unterseite zottelig behaart. Diese Haare zitterten merklich. Ein Beweis dafür, daß Sono sehr erregt war. Efrem Murdock hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, dem aufgeblähten Dämon in die Augen zu sehen.
Er fuhr herum und rannte schreiend davon, aber Sono ließ ihn nicht entkommen. Wie lange Peitschen pfiffen die Fangarme durch die Luft. Sie schossen hinter Murdock her und holten ihn ein. Sono riß ihn zurück.
»Neiiin!« brüllte Efrem Murdock. Die Krakenarme schlangen sich um seine Hüften, um die Brust, um den Hals.
»Professor… um alles in der Welt…«, krächzte Murdock, während ihm die Augen weit hervorquollen.
Die Fangarme zerrten ihn unter den Kopffüßler, warfen ihn zu Boden. Er lag genau unter dem Maul des Scheusals, konnte die Geierschnabelöffnung sehen. Und dann senkte sich der Dämon auf ihn herab! Die Tentakel hielten den Mann unwiderstehlich fest. Er konnte sich nicht bewegen, nur schreien, bis ihm fast die Stimme versagte.
Der
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