0901 - Die Zweidenker
sie aber von einer kosmischen Macht, vielleicht sogar von den Mächtigen, dazu bestimmt wurden, das Auge zu behüten, dann könnte der Konflikt bald eine größere Dimension annehmen, und wir sähen uns unüberwindbaren Schwierigkeiten gegenüber."
„Selbst das wäre kein Grund, in Panik zu geraten", sagte Opier-Warnd. „Wie Fanzan-Pran ganz richtig sagt, sind wir als höherentwickelte Wesen verpflichtet, die Mentalität der Terraner zu ergründen.
Und in diesem Zusammenhang müßten wir auch ihre Schuld beweisen.
Aber keineswegs dürfen wir aufgrund unhaltbarer Mutmaßungen das Schicksal eines Intelligenzvolks aufs Spiel setzen. Es gibt einen gangbaren Weg, der nicht so aufwendig ist wie eine militärische Aktion und auch nicht zeitraubender.
Die Xenophilosophen und nonentelechischen Psychologen wissen, wie man das unbekannte Wesen Mensch erforschen kann. Wir müssen den Menschen entgegenkommen. Dabei brauchen wir gar nicht zu ihnen hinabzusteigen, sondern können sie auf unsere Geistesebene heraufholen."
Mit den letzten Worten hatte Opier-Warnd Hergo-Zovrans Interesse geweckt. Erwartungsvoll sah der Türmer den Wissenschaftlern entgegen und schenkte jenem seine volle Aufmerksamkeit, der als ihr Sprecher auftrat.- Lank-Grohan war ein Psychologe, der sich der Verhaltensforschung artfremder Intelligenzwesen verschrieben hatte. Er widmete sich dieser Beschäftigung mit unglaublichem Eifer. Ihm waren Erkenntnisse über Fremdintelligenzen wichtiger als die Entelechie, das Schicksal anderer Völker faszinierte ihn mehr als die Bestimmung seines eigenen Volkes.
Gemessen an seinen Fähigkeiten und geistigen Qualitäten hätte er es längst schon zum Türmer oder gar zum Quellmeister bringen können.
Doch verhinderte er selbst eine Berufung in ein solches Amt durch seine Einstellung.
Dennoch hätte man nicht sagen können, daß er sich der loowerischen Enteleehie entfremdet hätte. Auf seine Art war er ein Phänomen, denn es war ihm gelungen, einen Kompromiß zwischen Individualität und Kollektivbewußtsein zu schließen.
Seine Lebenseinstellung war so weit entelechisch, daß er in der Lage war, seinen Alterungsprozeß wie ein Quellmeister hinauszuzögern.
Lank-Grohan war der Prototyp des loowerischen Fremdpsychologen schlechthin. Aber nicht einmal ihm war es bisher gelungen, die rätselhafte Psyche und die Mentalität der Terraner zu ergründen. „Entelechie ist erlernbar!" Mit dieser provozierenden Feststellung erregte Lank-Grohan sofort die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Aller Augen wandten sich in Richtung des Türmers, aber da Hergo-Zovran keinen Einwand vorbrachte, widersprachen auch die anderen dem Psychologen nicht. Lank-Grohan fuhr fort: „Ich will damit sagen, daß es möglich sein müßte, Fremdwesen wie den Terranern die Grundbegriffe unserer entelechischen Denkweise beizubringen. Es wäre sogar möglich, einen neugeborenen Terraner so zu erziehen, daß er sich als Loower fühlt. Er würde deswegen nicht auf zwei Bewußtseinsebenen denken können und könnte nie die ererbten Anlagen eines Loowers erlangen.
Aber ein entelechisch erzogener Terraner würde uns verstehen können.
Leider bleibt uns nicht die Zeit für ein solches Vorgehen. Aber es muß nicht unbedingt ein frischer, unverdorbener Geist sein, an dem ich meine Behauptung beweisen kann. Ich rechne auch bei älteren Terranern mit einer gewissen Erfolgsquote. Ich könnte ihnen zumindest die Grundbegriffe des entelechischen Denkens beibringen. Wie stellst du dich zu diesem Vorschlag, Türmer?"
„So wünschenswert es ist, daß es zu einer Annäherung der Standpunkte kommt, ich sehe doch gewisse Gefahren bei einem solchen Vorgehen", erwiderte der Türmer. „Bisher waren wir immer sorgsam darauf bedacht, unsere Fähigkeit des Zweidenkens Fremdwesen gegenüber zu verbergen. Das war unser bester Schutz. Nun bin ich bei der ersten Kontaktaufnahme schon soweit gegangen, die Terraner auf unsere entelechische Denkweise hinzuweisen, was ich als großes, gewagtes Entgegenkommen erachte. Aber wenn wir den Terranern -nun unsere Philosophie rückhaltlos offenbaren, geben wir uns damit eine arge Blöße."
„Dein Ansinnen ist ungeheuerlich, Lank!" rief Mank-Beram aus, der die Bedenken des Türmers sofort für sich ausnutzen wollte. „Damit geben wir den Terranern die Möglichkeit, uns mit den eigenen Waffen zu schlagen. Es kommt nicht von ungefähr, daß wir Loower eine angeborene Hemmung haben, die es uns nicht erlaubt, Probleme, die uns in unserem
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