0901 - Die Zweidenker
war, daß höhere Instanzen seine Geduld als Unfähigkeit auslegen konnten und er durch einen anderen Türmer abgelöst wurde.
Es gab aber noch eine zweite Möglichkeit, die ihm noch größeres Unbehagen bereitete. Er fürchtete, daß der Quellmeister Pankha-Skrin im Solsystem eintreffen könnte, bevor er in der Lage war, ihm das Auge zu überreichen.
Eine solche Schmach hätte Hergo-Zovrari nicht ertragen.
Der Türmer vom Mars sah, daß es Zeit war, den nächsten Impuls abzustrahlen.
Wieder einmal war ein Intervall verstrichen; ohne daß er seinem Ziel nähergerückt wäre.
Hergo-Zovran erlebte diesmal den Augenblick, da der sechsdimensionale Impuls in die relative Grenzenlosigkeit des Universums hinausging, in dem Bewußtsein mit, daß er eine modifizierte Botschaft für den fündigen Quellmeister Pankha-Skrin zum Inhalt hatte.
Der Impuls rief den Quellmeister ins Solsystem. Er sollte ihm den Weg zum Auge weisen und ihn durch das unendliche Gewirr aus Sonnenfeuer und Sternenstaub lotsen.
Und die Botschaft besagte: Hier ist das Auge, komm und nimm den Schlüssel für deine Materiequelle entgegen, Pankha-Skrin!
Aber wenn der Quellmeister heute oder morgen eintraf, dann würde Hergo-Zovran ihm das Auge nicht präsentieren können.
Um die Entwicklung zu beschleunigen, hatte Hergo-Zovran in der Türmerstube eine Konferenz mit seinen fähigsten Untergebenen einberufen.
Wenige Augenblicke nach Ende der Funkbotschaft trafen seine drei Stellvertreter Fanzan-Pran, Opier-Warnd und Mank-Beram mit einer Abordnung von Philosophen und Psychologen ein. „Pankha-Skrin kann schon bald hier eintreffen und die Übergabe des Auges verlangen", eröffnete Hergo-Zovran das Gespräch. „Dann müssen wir in der Lage sein, den Schlüssel zur Materiequelle seiner Bestimmung zu übergeben. Da die Verhandlungen mit den Terranern zu nichts geführt haben und auch ein Besuch auf dem dritten Planeten nicht zielführend war, habe ich beschlossen, massiv gegen die Menschen vorzugehen. Ich hatte ursprünglich vor, in allen wichtigen Städten der Erde Truppen zu stationieren, um die Menschen unter Kontrolle zu halten. Auf Betreiben von Fanzan-Pran entschied ich mich jedoch zu dieser Konferenz, um mit den Wissenschaftlern Alternativvorschläge zu erörtern."
Der Türmer beendete seine Ansprache, indem er seine Sprechblase lautlos in sich zusammenfallen ließ.
Durch einige Flügelschläge seiner Stummelschwingen in Fänzan-Prans Richtung übergab er diesem das Wort.
Fanzan-Pran war einer der drei Stellvertreter des Türmers. Er hatte die auf Alkyra-II stationierten Raumschiffe mobilisiert und war Gönner des jungen Goran-Vran gewesen, der beim Turmbau auf dem Mars durch tragische Umstände die Fähigkeit des entelechischen Denkens verloren hatte.
Fanzan-Pran war aber auch jener Stellvertreter, der am vehementesten für eine gemäßigte Linie im Umgang mit den Terranern eintrat.
Mank-Beram plädierte dagegen für eine rigorose Lösung, aber glücklicherweise hatte Hergo-Zovran ihm bisher kein Gehör geschenkt.
Opier-Warnd dagegen stand zwischen ihnen, er versuchte, einen goldenen Mittelweg zu finden. „So lebensnotwendig die Beschaffung des Auges für unser Volk auch ist", begann Fanzan-Pran, „wir dürfen nicht die entelechischen Grundregeln vergessen, per Gedanke, ein anderes Volk durch Anwendung von Gewalt in unserem Sinn zu beeinflussen und es zu einem Verhalten wider seine Natur zu zwingen, muß jeden Loower zutiefst erschrecken.
Wir sind den Terranern technisch und geistig weit überlegen, also dürfen wir nicht sie für diese Situation verantwortlich machen, sondern sollten zuerst einmal überlegen, ob nicht wir Fehler gemacht haben. Die Wissenschaftler haben den Vorschlag unterbreitet, daß wir die Terraner zuerst einmal besser verstehen lernen müssen, um mit ihnen umgehen zu können. Ich hielte das für eine sehr gute Basis. Wenn wir als Zweidenker das Verhalten der Terraner nicht begreifen, wie können wir dann von diesen niederwertigeren Wesen verlangen, daß sie Verständnis für uns aufbringen?"
„Das ist ein durchaus entelechischer Gedanke", warf Mank-Beram ein. „Nur ist es gar nicht unser Anliegen, die Menschen kennenzulernen.
Wir wollen von ihnen haben, was uns gehört. Sonst haben wir mit ihnen nichts zu schaffen. Und wir sollten das Auge rasch an uns bringen. Denn die Behauptung der Terraner, daß sie nicht die Funktion eines Wächtervolkes haben, das das Auge bewachen soll, wurde durch nichts bewiesen. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher