0903 - Der Schattenkelch
Rofocale. »Bist du wirklich so dumm? Wahrscheinlich bist du es! Sonst hätte dir klar sein müssen, dass das Verschwinden von sieben hochrangigen Dämonen nicht unbemerkt bleibt. Doch selbst wenn dein Plan aufgegangen wäre, niemals hätte LUZIFER dich auf dem Thron anerkannt, niemals hätte dich eine Kreatur der Hölle als Ministerpräsidenten angesehen! Wie hättest du über die Schwefelklüfte herrschen wollen?«
Agamar zögerte.
»Wie ich hätte herrschen wollen?«, spie er dann aus. Er hatte sich entschieden! Er würde den Kampf annehmen. »Ich werde sie mir mit meinen Kräften schon gefügig machen!«
Lucifuge Rofocales Lachen klang wie Donnerhall. »Du lächerlicher Wicht! Du wirst dir niemanden gefügig machen! Denn du wirst sterben. Hier und jetzt!«
Er löste die Arme aus der Verschränkung und streckte sie Agamar entgegen. Aus seinen Handflächen schossen schwarze, feuchte Fasern und schlangen sich um Agamars Gelenke, seinen Kopf, seinen Hals. Lucifuge Rofocale riss die Arme hoch und schon schwebte Agamar einen Meter über dem Boden, verdammt zu absoluter Bewegungsunfähigkeit. Der Ministerpräsident der Hölle zog die Fesseln enger zusammen und Agamar stöhnte auf.
»Aber bevor ich dich zerfetze, wirst du mir eine Frage beantworten«, verlangte Lucifuge Rofocale. Er sah hinüber zu den Kelchen, von denen einer vor wenigen Minuten dem Angstdämon Myalon den Tod geschenkt hatte. »Wie hast du deine Opfer dazu gebracht, den Kelch mit dem Gift zu wählen?«
Agamars Stöhnen ging in ein Lachen über. »Das war nicht besonders schwer, weil das Gift nämlich in beiden Gefäßen war.«
»Unsinn! Dann hätte es dich auch töten müssen!«
»Du solltest besser zuhören! Ich habe nicht gesagt, dass das Gift im Trank war. Es war in den Kelchen, gebunden mit einem Einschlusszauber, dessen Wirkung nachließ, sobald ein anderer als ich den Kelch berührte. Erst dann mischte sich das Gift mit dem Trank!«
Lucifuge Rofocale nickte. »Und mich wolltest du mit dem selben Trick beseitigen?«
Wieder erklang Agamars heiseres Lachen, das wegen seiner derzeitigen Lage reichlich unpassend wirkte. »Nein! Ich habe meinen Opfern ihre Kräfte geraubt. Mit ihnen werde ich dich besiegen.«
Nun war es an Lucifuge Rofocale zu lachen. »Glaubst du das wirklich? Sieh dich doch an! Ich habe dich in meiner Gewalt und du kannst nichts dagegen unternehmen!«
»Du machst den gleichen Fehler wie alle: Du unterschätzt mich. Sagt dir der Name Kas'Chytzka etwas?«
»Der Eisdämon? Natürlich, er war eines deiner Opfer.«
»Eben«, sagte Agamar. Im gleichen Augenblick gefroren seine Fesseln! Die Verwandlung zu Eis jagte an den Fasern entlang und auf Lucifuge Rofocale zu.
Mit einem wilden Schrei sprengte Agamar die ehemals unnachgiebigen, jetzt aber spröden Fesseln. Bruchstücke der gefrorenen Fasern schossen durch die Luft.
»Was…?«, begann Lucifuge Rofocale mit Staunen im Blick, doch sofort stellte er sich auf die neue Situation ein. Er löste die Fäden von seinen Handflächen, bevor ihn die Verwandlung zu Eis erreichen konnte. Dann wischte er mit einer Handbewegung die Fasersplitter aus der Luft, sodass ihn kein einziger traf.
»Sehr hübsch«, sagte er. »Dann eben so!«
Aus den Klauen seiner linken Hand sausten fünf dünne Feuerfäden, die sich nach wenigen Zentimetern zu einem dicken Strang vereinten und auf Agamar zurasten. Der jedoch machte keinerlei Anstalten auszuweichen. Stattdessen öffnete er sein Maul und sog den Flammenstrang in sich auf.
»Bei LUZIFER!«, keuchte Lucifuge Rofocale, als er sah, dass das Höllenfeuer keinen Schaden anrichtete. Er riss den rechten Arm hoch und verschoss auch mit ihm die Flammen, die eigentlich alles hätten verzehren müssen. Eigentlich! Aber nicht hier.
Als das Feuer versiegte, schloss Agamar den Mund, grinste - und spuckte nur Augenblicke später Lucifuge Rofocale die aufgesogenen Flammen in Form eines Feuerballs entgegen. Der Ministerpräsident der Hölle duckte sich zur Seite weg, doch seine gewaltigen ledrigen Schwingen konnte er nicht mehr in Sicherheit bringen. Der Feuerball durchschlug den linken Flügel wie Papier. Sofort lag der beißende Geruch verkohlten Fleischs in der Luft. Lucifuge Rofocale stieß einen gellenden Schrei aus. Seine Fratze verzerrte sich in einer Mischung aus Schmerz und Wut.
Da erst wurde Agamar klar, was er gerade getan hatte. Einer der sieben von ihm getöteten Dämonen hatte sich von Höllenfeuer ernährt und es als Flammenball wieder
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