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0903 - Der Schattenkelch

0903 - Der Schattenkelch

Titel: 0903 - Der Schattenkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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hangeln.
    »Da ist es«, hauchte Pierre Robin.
    Zamorra steuerte die Zeitschau so, dass sich die Ereignisse vorwärts abspielten und er und Robin nicht immer umdenken mussten. Sie beobachteten, wie Luynes einige Unterlagen auf seinem Schreibtisch durchblätterte, ein paar Notizen machte…
    ... und den Stift auf die Papiere legt. Er steht auf, geht um den Schreibtisch herum und wirft einen Blick aus dem Fenster. Dann macht er drei Schritte auf eines der Bücherregale zu. Plötzlich verharrt er und kratzt sich am Kopf. Ist ihm etwas eingefallen? Oder hat er etwas Verdächtiges gehört? Er dreht sich um - und wie aus dem Nichts schießt der Kelch auf ihn zu. Seine Augen weiten sich vor Überraschung oder Entsetzen, doch zu einer weiteren Reaktion fehlt ihm die Zeit. Der Kelch hämmert gegen die Stirn, reißt ihm den Kopf nach hinten und fällt auf den Teppich. Mit Unglauben im Blick hebt Luynes den rechten Arm, will sich an die Stirn fassen, nach der schweren, tiefen Wunde tasten, die der Kelch in seinen Kopf geschlagen hat, doch auf halber Höhe stoppt der Arm und sinkt wieder herab. Für ein paar Sekunden starrt Luynes ins Leere. Dann sprudelt Blut aus dem Krater in seinem Schädel. Er verdreht die Augen ...
    ... und glitt mit gespenstischer Anmut zu Boden.
    »Häh?«, machte Robin. »Das ist alles?«
    Zamorra runzelte die Stirn. »Scheint so.« Er sprang zurück zum Marker und betrachtete die Szene erneut. Dann noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal. Er sah immer wieder das Gleiche: Im einen Augenblick war von dem Kelch nichts zu entdecken - und im nächsten war er plötzlich da und zerschmetterte seinem Opfer den Stirnknochen. Von jemandem, der ihn geworfen oder festgehalten hatte, fehlte jede Spur.
    »Was ist denn das da?«, fragte Robin.
    »Was denn?«
    »Da rechts im Bild. An der Stelle, an der der Kelch erscheint. Ist das eine Bildstörung?«
    Zamorra warf dem Chefinspektor einen vernichtenden Blick zu. »Das hier ist Magie, mein Freund, und keine Fernsehsendung. Da gibt es keine Bildstör…«
    Zamorra verstummte. Da war tatsächlich etwas! Bislang hatte er nur die Flugbahn des Kelchs verfolgt, deshalb war es ihm vermutlich entgangen. Aber was war es?
    Dort, wo so urplötzlich das Gefäß erschienen war, flackerte das Bild. Ein Flackern bei der Zeitschau ? Absolut unmöglich! Außer vielleicht, es gehörte zu der Szene dazu.
    Der Professor startete ein weiteres Mal und fror das Bild ein, als das Flimmern auftrat.
    Robin kniff die Augen zusammen und beugte sich tiefer zu dem kleinen Bildschirm hinab.
    »Hm«, machte Zamorra. »An dieser Stelle ist das Bild verzerrt. Wo gerade Linien sein müssten, wie hier die Schreibtischkante, erscheinen sie gewölbt.«
    Robin nickte. »Als wäre genau dort eine Linse, die das Licht bricht.«
    Zamorra ließ die Passage langsam weiterlaufen. »Und diese Linse bewegt sich, siehst du?«
    Allerdings nahm die Bildstörung einen anderen Weg als der Kelch. Sie huschte zum geschlossenen Fenster - und durch es hindurch! Dann war sie verschwunden.
    »Was ist das?«, wollte Robin noch einmal wissen.
    »Lass es mich mal vorsichtig ausdrücken: Ich habe keinen blassen Schimmer! Aber es gefällt mir nicht.« Zamorra schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist es der Mörder! Ein Magier, ein Dämon oder sonst wer, der sich unsichtbar machen kann. Erst wirft er den Kelch, dann flieht er. Oder er wirkt nur für das Amulett unsichtbar.« Das nächste Kopf schütteln. »Ich weiß es nicht, aber ich gedenke, es herauszufinden.« Mit einem Gedankenbefehl beendete er die Zeitschau. Sofort erlosch das Bild in Merlins Stern .
    »Und wie?«
    Zamorra holte sein Handy hervor. Obwohl das TI-Alpha über Funktionen verfügte, für die normale Handy-Hersteller sich noch nicht einmal einen Namen ausgedacht hatten, konnte es natürlich auch die Dinge, die ein Mobiltelefon heutzutage können musste: fotografieren, Videos aufnehmen und abspielen, im Internet surfen. Gerüchten zufolge sollte man damit sogar telefonieren können. Zamorra aktivierte die Kamerafunktion und knipste den Kelch von allen Seiten.
    »Zunächst einmal werde ich gute altmodische Recherche betreiben«, beantwortete er Robins Frage. »Echte und virtuelle Bücher wälzen; sehen, ob der Kelch schon mal irgendwo erwähnt wurde; versuchen, eine Deutung der Symbole ausfindig zu machen. Solche Sachen eben. Falls das nichts bringt, denke ich mir etwas Neues aus.«
    Robin nahm die Pfeife aus dem Mund und deutete mit dem Mundstück zum Kelch.

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