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0906 - Das Vermächtnis der Hexe

0906 - Das Vermächtnis der Hexe

Titel: 0906 - Das Vermächtnis der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Blitzeinschläge. Mehr nicht.
    And you wake up in the morning and your headfeels twice the size , sang Amy Macdonald.
    In der Tat! Manchmal glaubte er, sein Kopf wäre auf das Doppelte angeschwollen und müsse zerplatzen, wenn er darüber nachdachte. Wie sollte ein Gehirn es auch verkraften, mit den Erinnerungen von weit über 30.000 Jahren konfrontiert zu werden? Wie sollte er selbst es verkraften?
    Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass es keiner seiner vorherigen Existenzen anders gegangen sein konnte. Und in keinem seiner früheren Leben war er durchgedreht oder von der Flut der hereinbrechenden Erinnerung weggespült worden.
    Zumindest nicht, so weit er sich daran erinnern konnte. Hahaha, toller Witz!
    Außerdem gab es noch gar keine Flut, sondern nur jenes unerträglich zögerliche Tröpfeln. Aber wenn er sich an alle vorherigen Leben nur häppchenweise erinnerte, würde er am Ende des jetzigen mit Sicherheit auch noch nicht alles wissen, was es zu wissen gab. Da reichten dann auch die 251 Jahre nicht aus, die er noch vor sich hatte! Aus diesem Grund würde irgendwann der Augenblick der Flut kommen, und davor hatte Rhett Angst.
    Er schloss die Augen und lauschte Amy Macdonald.
    Er seufzte.
    Sollte er es vielleicht doch einmal versuchen? Möglicherweise könnte er ein paar Erinnerungen wecken, wenn er sich nur fest genug darauf konzentrierte. Es mussten ja nicht viele sein, aber jede einzelne Erinnerung, die jetzt erwachte, würde ihn später schon nicht mehr überfluten können.
    Rhett versuchte, sich wahllos einige historische Daten ins Gedächtnis zu rufen und sich vorzustellen, er wäre dabei gewesen oder hätte zumindest aus erster Hand davon erfahren. Die Entdeckung Amerikas. Die Schlacht bei Issos. Die Gründung Roms.
    Komm schon! Irgendwas wird dir doch einfallen. Stell dich nicht so an!
    Der Bau der Cheopspyramide. Christi Geburt.
    Na los! Streng dich an.
    Doch da war nichts. Kein Blitzeinschlag. Nicht einmal ein kleines Flackern.
    Er öffnete die Augen - und erstarrte. Ohne dass Rhett sich dessen bewusst wurde, verkrallten sich seine Finger im Bettlaken.
    Am Fußende des Betts stand ein Mann in einer dunklen Kutte mit weiten Ärmeln und glotzte ihn an. Soweit man das wirklich glotzen nennen konnte, denn der Fremde hatte keine Augen.
    Genaugenommen war es nicht wirklich ein Mann, den Rhett da sah. Und es war auch nicht mehr sein Bett, auf dem er lag. Oder sein Zimmer! Da war keine Tapete, kein Schreibtisch, kein PC-Monitor. Stattdessen entdeckte Rhett gemauerte Wände aus groben Ziegeln, ein glasloses Fenster, einen offenen Kamin, in dem ein Feuer loderte.
    Der Mann… das Wesen vor Rhetts Liegestatt war ein Ausbund an Hässlichkeit. Es war von den Zügen und der Form her menschlich, doch ihm fehlte die Nase. Stattdessen klafften an dieser Stelle zwei senkrechte, schwarze Schlitze, die pulsierten und pumpten, als würde das Wesen etwas erschnuppern. Die Oberlippe war spröde und rissig, die Unterlippe in der Mitte gespalten, sodass die Hälften nach links und rechts wie zwei Lappen herunterhingen. Dahinter prangte ein Verhau aus unregelmäßigen braunen Zähnen, fast schon Hauern. Rhett konnte nicht sagen, ob dieser Mund immer so aussah oder ob er gerade zu einer Art Grinsen verzerrt war.
    Schwarze, strähnige Haare hingen der Kreatur wie fettige Fäden bis auf die Schultern.
    Das Grausigste aber waren die Augen. Oder besser das, wo bei einem Menschen die Augen gesessen hätten. Die Augenhöhlen waren von gelblich schimmernder Haut überzogen, die in ständiger Bewegung war. Sie beulte sich aus, pochte oder kräuselte sich. Es wirkte, als lauere dahinter etwas noch ungleich Schlimmeres, das nur darauf wartete, herausquellen und einen ungeahnten Schrecken verbreiten zu können.
    Dieser fürchterliche Anblick wirkte umso skurriler, als er von Amy MacDonalds Gesang untermalt war.
    This is the life.
    Ja, das war das Leben! Fragte sich nur, welches!
    Sofort beruhigte Rhett sich wieder. Ihm wurde klar, dass er nicht wirklich hier war und dass dieses… dieses Ding nicht wirklich vor seinem Bett stand. Nein, das hier war eine Erinnerung!
    Er hatte es tatsächlich geschafft! Er hatte eine Erinnerung herbeigezwungen.
    Super! Und was hatte er nun davon?
    Die augenlose Kreatur kam ihm bekannt vor. Er wusste, dass sie ihm in einem seiner früheren Leben schon einmal begegnet war. Aber in welchem Leben? Was hatte sich damals ereignet?
    Was hatte er von so einer Erinnerung, wenn sie wieder nur ein sinnloses

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