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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Momentaufnahme. Ein Augenblick. Das Weingut Bechtel gibt es seit Jahrzehnten, und ich habe noch jeder Mode, jedem Schicksalsschlag getrotzt! Es geht immer weiter, weil es immer weiter ging. Was erlaubt sich die Gegenwart, so absurde Forderungen zu stellen? Hier geht es um Konstanz!«
    »Die Gegenwart?«, fragte der Banker irritiert, und mit einem Mal wusste auch Johann nicht zu sagen, woher diese letzte Formulierung gekommen war. »Herr Bechtel, machen Sie nicht die Zeit für etwas verantwortlich, was Ihr finanzieller Spekulationswille ruiniert hat. Zwar sind die Zeiten schlecht, aber Ihre plötzliche Firmenpleite ist mindestens genauso sehr Ihrer eigenen Misswirtschaft im Aktienwesen zu verschulden, wie man sie Lehman Brothers und Co. anlasten kann.«
    Das genügte. Johann war nicht hier, um sich von diesem arroganten Schnösel kritisieren zu lassen. Wen glaubte Kreiner denn vor sich zu haben? Einen Idioten? Einen dummen Tropf, den er behandeln konnte, wie der letzte Dreck? Nein, Freundchen. Alles andere als das.
    Bechtel hatte noch nie jemanden vor die Tür gesetzt, doch er fand es erstaunlich einfach zu bewerkstelligen. War erst genügend Wut vorhanden, ging so ein Rausschmiss fast von selbst. Als die Haustür - einmal mehr das schützende Schott - hinter Kreiner zufiel und ihm dabei hoffentlich dieses hochnäsige Grinsen aus der Visage schlug -, atmete Johann tief durch. Mit einem Mal fühlte er sich so gut, wie schon seit Stunden nicht mehr.
    ***
    Die Zeiten änderten sich, dachte Nicole amüsiert, als sie an diesem Abend an Zamorras Seite ins Trierer Amphitheater trat und nach ihren Sitzplätzen Ausschau hielt. Früher hatten die Besucher dieser Anlage noch auf den eigens dafür errichteten steinernen Stufen gesessen, die sich in einem ovalförmigen Rahmen rechts und links der Arena befanden, in deren Mitte Paschulkes Truppe eine provisorische Bühne errichtet hatte. Doch heute, weit über tausend Jahre später, waren die Ränge von einst längst mit Gras überwuchert. Stattdessen teilte sich die Bühne den übrigen Raum in der Mitte des Ovals aus altem Stein und Rasen mit mehreren, eigens für die abendliche Theatervorführung errichteten Behelfstribünen, die sich nun, kurz vor Beginn des Stückes, zusehends füllten.
    Und dennoch, trotz dieser modernen Zubauten, war die Atmosphäre dieses Ortes bemerkenswert.
    »Einen besseren Platz kann man für ein Römerstück wohl kaum finden«, sagte Nicole beeindruckt, und Zamorra nickte. »Wenn Paschulkes Truppe nur halb so gut spielt, wie der Rahmen dieser Veranstaltung wirkt, dann erleben wir gleich Kultur vom Feinsten.«
    Nicole und der Professor hatten den restlichen Nachmittag mit der Besichtigung des Tatorts in der Innenstadt verbracht und sich kurz - und unter einem Vorwand - bei der hiesigen Polizei nach Neuigkeiten in den Ermittlungen erkundigt. Schlauer waren sie jedoch nicht geworden, und so hatten sie beschlossen, abzuwarten. Zum Beispiel im Theater. Da der Römer in der vergangenen Nacht gleich mehrmals erschienen war, bestand zumindest die Möglichkeit, dass er sich auch heute zeigen würde, irgendwo. Und dann waren sie zumindest schon einmal in der Gegend.
    Seufzend ließ sich Zamorra auf dem Plastiksitz nieder, den seine Eintrittskarte ihm zuwies. Nicole setzte sich auf den Platz zu seiner Linken und blickte sich interessiert im Publikum um. Trotz der Abendstunde konnte sie die Gesichter der anderen Zuschauer gut erkennen, wofür schon die zahlreichen Scheinwerfer sorgten, welche das gesamte Amphitheater perfekt ausleuchteten.
    »Schau mal, da hinten«, sagte sie leise und stupste Zamorra an. »Scheuerer ist auch da.«
    »Hm«, machte er. Offenbar legte ihr Chef noch immer keinen Wert darauf, den selbst ernannten Meister des Übersinnlichen zu diskutieren.
    »Und da ist von Hoyten«, lachte Nicole und winkte, als der ältliche Akademiker sie bemerkte und ihr freundlich zunickte.
    »Sogar unsere Freunde und Helfer sind hier«, murmelte Zamorra und wies unauffällig in die zweite Reihe ihrer Tribüne, wo zwei Männer Platz genommen hatten, die sie heute Nachmittag bei ihren Recherchen als Mitarbeiter der Trierer Mordkommission kennengelernt hatten. »Gut so«, fuhr er leise fort. »Im Gegensatz zu den zwei Staatsdienern glaube ich zwar an keinen Zusammenhang zwischen den gestrigen Ereignissen und diesem Ensemble, aber es schadet nie, wenn man genau weiß, was und wen sie gerade im Auge haben.«
    »Halten die etwa immer noch Paschulke für

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