0907 - Imperium der Zeit
sie bisher herausgefunden hatten, und bat darum, dass William den beeindruckend starken Computer im Château Montagne dazu benutzte, weitere Informationen über die römische Vergangenheit der Stadt Trier zusammenzutragen.
»Ich bin mir nahezu sicher, es hier mit einem übersinnlichen Phänomen zu tun zu haben, Scheuerer und Shakespeare hin oder her«, sagte Zamorra ins Telefon, »aber ich habe so das Gefühl, als fehlten uns noch einige Anhaltspunkte, um die Ereignisse der letzten Nacht vollends einordnen zu können.«
Nicole lächelte, während der Professor Williams Worten lauschte. Hat dein Bauchgefühl mal wieder angeschlagen, Chef? Na, das kann ja was werden…
Plötzlich sah sie, wie sich ein älterer Mann ihrem Wagen näherte und schon von weitem winkte, um auf sich aufmerksam zu machen. Er hatte schulterlanges und schneeweißes Haar, das sich jeglichem Versuch eine Frisur zu bilden, zu verweigern schien. Der Großteil seines unrasierten Gesichts wurde von einer dicken Brille mit Goldrand eingenommen, deren Gläserbreite die Vermutung nahe legte, dass das Modell noch aus den Achtziger Jahren stammte. Wenn das zutraf, war es mindestens fünfzehn Jahre jünger als das grau karierte Sakko mit den braunen Aufnähern an den Ellbogen, das der Mann trug. Und über das Alter seiner dunkelbraunen, leicht speckigen Hose wagte Nicole nicht zu spekulieren. Solche Kleidung war ein Fall für die Archäologen, zumindest in ihren modebewussten Augen.
Halb unsicher und halb amüsiert kurbelte sie ihre Scheibe herunter, nachdem der Alte den Jaguar erreicht hatte. »Ja, bitte?«
»Gut, dass ich Sie noch antreffe«, sagte der Mann freundlich und schenkte ihr, ein Lächeln, das strahlend weiße Zähne hinter den grauen Bartstoppeln und dem faltigen Gesicht offenbarte. »Von Hoyten, der Name. Archibald von Hoyten. Ich war gerade im Amphitheater, um mir eine Karte für die heutige Vorstellung zu kaufen, und da konnte ich nicht vermeiden, einen Teil Ihrer Unterhaltung mit anzuhören. Wenn ich nicht irre, interessieren Sie sich für die Geschichte dieser Stadt?«
Er muss uns für Touristen halten , dachte Nicole und nickte unverfänglich. »Für die Römerzeit, ja.«
»Vortrefflich«, gluckste von Hoyten und klatschte so begeistert in die Hände, dass sein nur mühsam gebändigter Haarschopf bedrohlich ins Wanken geriet. »Vortrefflich. Bitte verzeihen Sie meine aufdringliche Art, aber ich habe da vielleicht etwas, was Sie interessieren könnte.«
Mit diesen Worten fischte er einen zerknitterten Flyer aus der Innentasche seines Jacketts, strich ihn provisorisch glatt und überreichte ihn Nicole freudestrahlend. Es handelte sich um eine mehr schlecht als recht vervielfältigte Einladung zu einem Vortrag im Rheinischen Landesmuseum.
»Alea iacta est«, las Nicole leise vor, »Die Bedeutung der Stadt Trier zur Römerzeit. Ein Vortrag von Prof. em. Dr. Archibald v. Hoyten, Universität Trier.«
»Morgen Abend im Museum«, sagte der Alte und nickte bestätigend. »Eintritt frei. Ich dachte, es interessiert Sie vielleicht.«
»Das tut es in der Tat«, schaltete sich nun auch Zamorra vom Fahrersitz aus in die Unterhaltung ein. Offensichtlich hatte er sein Telefonat mit William beendet. »Vielen Dank für den Hinweis, wir kommen gerne.«
Von Hoytens Lächeln weitete sich. So einen vollen Erfolg hatte er sichtlich nicht erwartet.
»Tun wir das?«, fragte Nicole ihren Partner, nachdem sie sich von dem emeritierten Akademiker verabschiedet hatten und wieder zurück ins Stadtzentrum fuhren.
»Ja, tun wir. Wie ich William schon sagte: Die Geschichte dieses Triers interessiert mich. Und es wäre doch gelacht, wenn unser mordender Römer nicht etwas mit dieser Vergangenheit zu tun hat. Glaubst du nicht?«
»Mhm«, machte sie nickend und sah Zamorra belustigt an. Sag ich's doch: Bauchgefühl. »Ich glaube, wenn man deinen Instinkt in Flaschen abfüllen und verkaufen könnte, wären wir steinreich.«
Zamorra lachte. »Aber Geld allein macht doch nicht glücklich, meine Liebe.«
»Sondern?«
»Na ja, ich ziehe den Reiz eines herausfordernden Rätsels jederzeit dem Knistern von Banknoten vor.«
»Den Reiz eines herausfo…« Nicole brach den Satz ab und schüttelte den Kopf in gespielter Ungläubigkeit. »Also ehrlich, Chef. Manchmal glaube ich, dass nicht nur das Amulett, sondern auch sein Träger einen kleinen Schaden davongetragen hat.«
Sie schrie belustigt auf, als sein Arm sie neckend in die Seite boxte.
***
Noch als er
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