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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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verdächtig?«
    Der Professor lachte leise. »Na ja, wenn man übernatürliche Ereignisse ausschließt, wie es unsere Kommissare zweifellos tun, bleibt wenig Auswahl.«
    Ein Gong ertönte und kündigte den nahenden Beginn der Vorführung an. Nach und nach verstummten die Gespräche der Wartenden, und alle Augen richteten sich auf die Bühne im Zentrum der Anlage. Wie schon bei der nachmittäglichen Generalprobe, war diese recht spartanisch ausgestattet. Statt großer Kulissen und Requisiten war die Fläche leer, abgesehen von zwei Steinblöcken aus Pappmaschee in der hinteren rechten Ecke, deren helle Färbung genau zu den beiden, mit künstlichem Efeu umrankten Pappsäulen an den Seiten der Bühne passte.
    Abermals erklang der Gong, dann trat ein schmächtiges Kerlchen in weißer Toga und mit schlichten Sandalen von links ins Scheinwerferlicht. Die Show begann… und sie war großartig, wie Nicole schon nach wenigen Szenen urteilte. Paschulke, so eigenartig er auch sein mochte, hatte ein wahrhaft talentiertes Ensemble um sich geschart. Hier saß jede Mimik, hier traf jede Betonung, jede Geste ins Mark. »The Shakespeare People« machten ihrem Namen an diesem Abend wirklich alle Ehre, fand Nicole und lehnte sich genießerisch in ihrem Sitz zurück, um dieses niemals alt werdende Drama über Verrat und Sühne auf sich wirken zu lassen.
    Und dann begann der Horror.
    ***
    »Doch ich bin standhaft wie des Nordens Stern«, sagte der Darsteller des Julius Cäsar gerade und setzte zu einem kurzen Monolog an, den Zamorra nur zu gut kannte. Cäsar rechtfertigte sich darin vor den Senatoren für seinen Herrschaftsstil und ließ durchblicken, dass er selbst voll und ganz hinter seinen Entscheidungen stehe, und keinem Bittsteller und potenziellen Angreifer eine Schwachstelle biete. Kurz darauf ergriffen die Verschwörer um Brutus den Dolch und bewiesen dem Kaiser das blutige Gegenteil.
    Zamorra war mit dem Stück ebenso vertraut, wie ein Großteil des Publikums. Umso erstaunter war er, als plötzlich vom linken Bühnenrand kommend eine weitere Figur erschien.
    Eine Figur, die im strahlenden Gleißen der Scheinwerfer seltsam schimmerte, nahezu schon diffus wirkte…
    Zamorra begriff sofort.
    Er war es! Gar kein Zweifel. Die Gestalt war gekleidet wie ein Legionär, trug einen golden schimmernden Brustharnisch, und ein breiter Helm bedeckte den Großteil ihres schmalen, scharf geschnittenen Gesichts und der militärisch kurzen Haare. Ihr Schuhwerk war kunstvoll gefertigt und ließ auf einen hohen gesellschaftlichen Stand schließen - und in ihrer rechten Hand hielt sie einen Speer.
    Nun hatten auch die Schauspieler gemerkt, dass sich ein Unbefugter in ihre Mitte geschlichen hatte. Brutus hielt mitten in seiner Ansprache inne und wandte verwundert den Kopf zu dem Legionär. Cäsar fasste sich ein Herz und ging auf den Fremden zu, offenbar einen Scherz oder Streich vermutend.
    Und Zamorra erkannte die Gefahr. Er wollte gerade aufstehen und nach vorne eilen, um Schlimmeres zu verhindern - da warf ihn ein stechender Schmerz in seiner Brust auf den Sitz zurück.
    Merlins Stern!
    Endlich reagierte das Amulett auf die Gegenwart des Geistes… doch auf fatale Weise. Binnen eines einzigen Augenblicks hatte sich das magische Artefakt, das der Professor seit Jahren um den Hals trug, in einen heißen Stein verwandelt, der ihn zu verbrennen drohte! Glühende Hitzewellen gingen mit einem Mal von ihm aus; Zamorra stöhnte auf, als sich das Schmuckstück in seine Brust brannte. Wie Fieberschübe wanderten Schmerzwellen über seinen gesamten Körper, raubten ihm den Atem und nahezu die Sinne. Der Meister des Übersinnlichen spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren lief; unmenschliche Schmerzen plagten ihn, und doch konnte er sich nicht bemerkbar machen, keinen Muskel rühren. Die Pein lähmte ihn, so irrational dieser Gedanke ihm auch schien.
    Nicht einmal Nicole, die doch nur wenige Zentimeter neben ihm saß, bemerkte, was mit ihm geschah!
    Aus dem Augenwinkel nahm Zamorra war, wie der Legionär zu den Schauspielern getreten war. Er stellte sich dem vermeintlichen Cäsar in den Weg und öffnete den Mund, doch alles, was der Professor hören konnte, war das Rauschen des eigenen Blutes in den Ohren - ein infernalischer Lärm, der seinen gesamten Gehörsinn überlagerte. Zamorra wusste, was als nächstes geschehen würde. Er ahnte, dass sich eine Katastrophe anbahnte, und doch konnte er nichts tun, konnte nicht handeln. Sein eigener Körper war

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