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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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über Bechtels Schulter in den Raum blickte, der allem Anschein nach ein Büro war, bemerkte er einen ausgewachsenen Raben mit pechschwarzem Gefieder, der leise krächzend auf einem Hirschgeweih saß, das über einem gemütlich aussehenden Kamin an der Wand hing.
    ***
    Trotz ihres Verstoßes gegen die Etikette hatte Bechtel Zamorra und Nicole ohne ein weiteres Wort ziehen lassen. Vermutlich war er froh, seine Ruhe zu haben und nicht weiter belästigt zu werden.
    »Glaubst du, er hat was mit der Sache zu tun?«, fragte Nicole, als die Dämonenjäger wieder im Auto saßen und zurück nach Trier fuhren. »Abgesehen von der verwandtschaftlichen Beziehung zu einem der Opfer?«
    Zamorra wiegte den Kopf ein wenig. »Glauben ja, wissen nein. Auf jeden Fall hat er etwas zu verbergen - und damit meine ich nicht nur dieses extravagante Haustier, das er uns so dringend vorenthalten wollte.«
    Nicole nickte. »Das sehe ich ähnlich. Und wir wissen ja, dass es unser Römer auf Menschen namens Bechtel abgesehen hat. Zumindest liegt die Vermutung nahe.«
    »In meinen Augen ist das mehr als eine Vermutung. Zwei Morde innerhalb von zwei Tagen; in einer 100.000-Seelen-Stadt, und beide Opfer haben denselben Nachnamen.«
    »… aber sonst keine Beziehung zueinander«, ergänzte Nici. »Helmut Bechtel war Briefträger und unserem Winzer offensichtlich völlig unbekannt. Und Peter zog mit einer Theatergruppe durch die Region.«
    »Ich frage mich«, sagte Zamorra gedankenverloren und setzte den Blinker, um in Richtung Innenstadt abzubiegen, »ob unser Geist jemanden sucht. Vielleicht einen ganz speziellen Bechtel. Und ich wüsste zu gerne, ob dieser so gehetzt wirkende Johann wohl jemanden erlösen könnte.«
    ***
    Mit zitternden Fingern drückte Johann Bechtel die Tür zu seinem Büro wieder zu. Durch das Holz hindurch hörte er, wie Gudrun die beiden Fremden zurück zur Haustür geleitete. Es war vorbei. Bechtel lehnte seinen Kopf gegen die Tür und schluchzte leise.
    »Gut gemacht, Johann«, sagte die Stimme des Dunklen in seinem Rücken, und der Winzer wusste nicht, ob es Spott war, was er in ihr hörte, oder echte Wertschätzung seiner Leistung. Er hatte die Fremden abwimmeln sollen, das hatte der Schattenmann ihm unmissverständlich klar gemacht, und das war ihm offenbar auch gelungen. Doch dieser seltsame Typ mit dem strahlend weißen Anzug und dem weinroten Hemd… Er hatte etwas gespürt, oder? Hatte geahnt, dass sich hinter Johanns mürrischer Fassade noch mehr verbarg. Und er war neugierig geworden. So neugierig, dass er sich Zugang zu seinem Büro verschaffen wollte.
    Johann schauderte bei dem Gedanken daran, was dann geschehen wäre.
    »Er… er hat den Raben gesehen«, sagte er leise, und seine Stimme klang wie die eines verängstigten Kindes. Fort war das herrische Gebaren des unfehlbaren Unternehmers, fort war die doch so unerschütterlich erschienene Überzeugung, Mittelpunkt einer eigenen kleinen Welt zu sein, nach der sich alle anderen Welten zu richten hatten. Der Johann von einst, der selbst den unberechenbaren Gewalten des internationalen Finanzmarktes noch trotzig die Stirn geboten hatte, war in der vergangenen Nacht gestorben. Er war verblasst vor der unheimlichen Gegenwart des Schattenmannes. Und alles, was jetzt noch von ihm übrig war, bestand aus Angst; Angst und Erschöpfung.
    »Soll er doch«, erklang die Stimme erneut. »Was ist schon ein Rabe für euch Sterbliche? Der allein sagt ihm noch gar nichts.«
    Johann schluckte trocken, atmete einmal tief durch und löste sich von der Tür. »Und jetzt?«, flüsterte er - und fürchtete die Antwort in diesem Moment doch mehr als alles andere auf der Welt.
    »Jetzt?« Der Dunkle klang belustigt. »Jetzt, mein lieber Johann, vollenden wir unsere Vorbereitungen. Es ist soweit.«
    Mit einem Mal verdunkelte sich das Zimmer. Nicht so, als wäre eine Lichtquelle erloschen oder ein Fenster zugezogen worden. Stattdessen schien das Licht selbst den Raum zu verlassen und einer tiefen, unfassbaren Dunkelheit zu weichen. Binnen Sekunden herrschte ein seltsam irrealer Zustand der Dämmerung in Bechtels Büro, obwohl außerhalb des Fensters strahlender Sonnenschein auf den Hof fiel. Von den Ecken des Raumes ausgehend, vergrößerten sich die Schatten und wanderten in gleichmäßigen Abständen immer weiter auf die Mitte des Zimmers zu - dorthin, wo Johann das Wesen aus dem Weinberg wusste.
    Nein, nicht aus dem Weinberg , dachte er. Es stammt aus den Römersteinen. Falls es sich bei

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