0907 - Imperium der Zeit
hing an der linken Seite der Tür eine altmodische Glocke. Nicole betätigte sie.
Es dauerte nicht lange, und eine dickliche ältere Frau öffnete ihnen. Sie war vielleicht einen Meter sechzig groß, hatte dichte braune Locken und trug eine golden umrandete Brille über ihrem herzlich wirkenden Lächeln. Auf ihrem hellblauen Sommerkleid war keine Falte zu sehen. Zamorra fand sie gleich sympathisch.
»Ja, bitte?«, fragte sie freundlich.
Mit wenigen Worten beschrieben die Dämonenjäger ihr, weswegen sie gekommen waren - zumindest offiziell. Die alte Masche mit den Journalisten auf der Suche nach der großen Story hatte sich einfach oft genug bewährt, um sie der Wahrheit und etwaigen langen Erklärungen vorzuziehen.
Die Frau zeigte sich ungerührt von dieser Geschichte, doch glaubte Zamorra, ein leichtes Zucken in ihrem Gesicht gesehen zu haben, als der Name Peter Bechtel fiel, des ermordeten Schauspielers. Irrte sich der Professor, oder lag mit einem Mal Sorge in ihren Zügen?
»Warten Sie, das besprechen Sie besser mit meinem Mann.« Zögerlich öffnete sie die Eichentür weiter und bat die beiden Besucher mit einer knappen Geste herein. Nicole und er betraten ein weitläufiges Zimmer, das bis zum anderen Ende des Hauses zu reichen schien und von einer breiten Steintreppe dominiert wurde, die in den ersten Stock führte.
»Und Ihr Mann ist…«, setzte Zamorra vorsichtig nach.
»Johann Bechtel, der Eigentümer des Unternehmens«, sagte sie, und ihre Stimme klang plötzlich eigenartig belegt. »Ich bin seine Gattin Gudrun, aber vermutlich hilft es mehr, wenn Sie… Ja, ich finde wirklich, Sie sollten mit Johann reden.«
Gudrun führte sie in den hinteren Bereich des großen Flures, hielt vor einer dunklen Holztür an und klopfte kurz. »Was?«, erklang eine knurrige Stimme aus dem Inneren des dahinter liegenden Raumes. »Was? Was? Was? Kann man in diesem Haus nicht einmal seine Ruhe haben, Herrgottnochmal?«
Ein gedämpftes Rascheln ertönte, als bahne sich jemand mit schlurfenden Schritten seinen Weg durch einen Haufen herbstlichen Laubs, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit, und Zamorra sah in das Gesicht eines sehr alt wirkenden Mannes.
Johann Bechtel war nicht gesund, das sah man ihm an. Die kurzen Haare standen ihm ungeordnet vom Kopf, und unter seinen stahlblauen Augen zeichneten sich schwere Ringe ab, als hätte er seit Tagen keinen Schlaf mehr gefunden. Er trug ein zerknittertes Hemd und eine Hose, die beide von recht edler Art zu sein schienen, aber dringend einer Reinigung bedurften. Ein Bett oder zumindest einen Waschlappen hatte dieser Mann schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
»Ja, was wollen Sie?«, blaffte er sie an. »Wenn Sie Wein wünschen, reden Sie mit Gudrun, ich habe zu tun.«
Bevor er die Tür wieder schließen konnte, reagierte Zamorra instinktiv. »Herr Bechtel, wir kommen wegen Peter.«
Der Winzer stutzte. »Pet… Ach, sparen Sie sich den Atem. Die Polizei war schon hier, und mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.« Skeptisch ließ er seinen Blick über Zamorras weißen Anzug und die wie immer äußerst modisch gekleidete Nicole wandern. »Wie die Kripo oder der Trierische Volksfreund sehen Sie beide allerdings nicht gerade aus.«
»Von dort sind wir auch nicht.« Zamorra fiel auf, dass sich der Winzer noch kein Stück zur Seite bewegt hatte, fast so, als wolle er ihnen die Sicht in den Raum hinter sich versperren. Verbarg er dort etwas? »Also kannten Sie Peter Bechtel?«
»Ob ich ihn kannte? Na, hören Sie mal, ich werd' doch wohl meinen eigenen Bruder kennen, den alten Traumtänzer!« Bechtel schnaubte verächtlich.
»Und wie steht es mit Helmut?«, hakte der Professor umgehend nach.
»Wer?« Der Winzer schüttelte den Kopf. Plötzlich ertönte ein leises Krächzen aus dem Zimmer hinter ihm, und Bechtel zuckte zusammen, als habe man ihm einen Dolch in den Rücken gerammt. Doch er fasste sich schnell wieder - und wurde aggressiv. »Nee, Freundchen. Nicht mit mir, ja? Ich hab zwar keine Ahnung, wer du bist, aber ich glaube, du gehst jetzt besser. Gudrun, schaff sie raus!«
Bevor die Dame des Hauses der Aufforderung nachkommen konnte, setzte der Professor alles auf eine Karte. »Einen Moment noch«, sagte er betont beiläufig, machte einen Schritt nach vorn und schob die Tür ein wenig weiter auf.
»He, was fällt Ihnen ein? Das ist Hausfriedensbruch«, echauffierte sich der Winzer, doch seine Stimme klang nun gepresst, nahezu schon flehend.
Als Zamorra
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