091 - Die Braut des Hexenmeisters
„ein Vampir im Smoking und mit ganz normalen Zähnen. Ich empfehle mich. Ihre dummen Scherze kann man nur ertragen, wenn man ausgeschlafen ist.“
Am nächsten Nachmittag wurden die drei Leichen, die man ins gerichtsmedizinische Institut geschafft hatte, identifiziert. Die Mutter von Brigitte Verlaine hatte man mit dem Flugzeug aus Marseille kommen lassen. Sie brach weinend am Sarg ihrer Tochter zusammen.
Bei Georgette Brion und Stephanie Corot war die Identifizierung schon schwieriger. Doch mit Hilfe der Gebißabdrücke konnte man auch hier jeden Zweifel ausschließen.
Nach einem kurzen Verhör von Madame und Monsieur Brasson behielt man nur zwei Personen im Untersuchungsgefängnis: Alain Monod wegen Mordverdachts und Madame Odile Robin wegen Beihilfe zum Mord.
Jean Dougnac wurde gegen eine geringe Kaution, die ein Professor von der Sorbonne für ihn stellte, auf freien Fuß gesetzt. Er sollte sich jeden Tag bei Inspektor Jolliet melden, was er gern versprach. In der übrigen Zeit ließ Jolliet ihn beschatten. Dieser junge Mann hatte ihm ein paar wertvolle Tipps gegeben. Jolliet versprach sich von ihm noch überraschende Aufschlüsse in dieser so merkwürdigen Affäre Monod.
Denn in dem Verhör, das er mit Manon Regnard anstellte, hatte er alles erfahren, was er wissen wollte. Und noch viel mehr.
Manon Regnard sprach ununterbrochen, immer im gleichen monotonen Tonfall: von ihrer ersten Bekanntschaft mit Jean Dougnac, ihren Alpträumen, ihrer Fahrt nach Paris, ihrem Gang zu Yvette Lescaut und von ihrer grauenhaften Vision, als sie das Haus in der Rue de Fragonard Nr. 7 zum erstenmal betrat.
Es war unheimlich und faszinierend zugleich, was Inspektor Jolliet sich zwei Stunden lang anhörte. Am faszinierendsten war ihr Bericht von dem uralten Fluch, der auf ihrer und Dougnacs Familie lastete.
Als sie von den Nächsten mit Alain Monod erzählte, hatte er ungläubig den Kopf geschüttelt. Aber Dr. Hugo hatte ihre Angaben bestätigt: Manon hatte die gleiche Bißwunde am Hals wie die ermordete Yvette Lescaut. Er gab ihr eine Spritze, damit sich neue rote Blutkörperchen bilden konnten.
Als Jolliet Manon Regnard aus dem Verhörzimmer entließ, war sie wieder so teilnahmslos und in sich selbst versunken wie in der Nacht, als er sie im Turm von Mont Valerien hatte festnehmen lassen. Sie saß in ihrer Zelle, starrte vor sich hin und sprach kein Wort. Sie war wie in Trance. Jean Dougnac erkannte sie kaum mehr wieder.
„Sie ist nicht mehr sie selbst“, sagte Jean erschüttert zu Inspektor Jolliet.
„Er hat sie verhext!“
„Mag sein“, entgegnete der Inspektor und führte den jungen Dougnac in sein Büro. Dort lehnte er sich in seinen Sessel zurück und stellte Jean eine Frage, die den jungen Mann fast vom Stuhl warf: „Was würden Sie jetzt an meiner Stelle tun?“
„Ich?“ erwiderte Jean und deutete überrascht mit dem Zeigefinger auf sich.
„Sehr richtig, Monsieur Dougnac – Sie.“ Jolliet zündete sich in aller Ruhe eine Pfeife an.
„Ich würde an Ihrer Stelle um das Leben meiner – äh – von Mademoiselle Manon Regnard zittern, Inspektor“, erwiderte jetzt Jean mit todernstem Gesicht. „Denn nach ihrem Geständnis ist sie vor Alain Monod nicht mehr sicher – weder in ihrer Zelle noch sonstwo auf der Welt.“
„Hm“, meinte der Inspektor nachdenklich und blies ein paar Rauchwolken vor sich hin, „obwohl ich sie nur ihrer Sicherheit wegen festgenommen habe, bin ich geneigt, Ihnen in diesem Punkt zuzustimmen.“
„Und diesen Monod können Sie nicht in seiner Zelle festhalten – auch wenn Sie ihn zentnerweise mit Ketten behängen und sein Zellenfenster zumauern lassen.“
„Auch wenn ich ihm ein Pentagramm vor das Fenster und die Zellentür hänge?“ fragte Jolliet.
„Nein“, erwiderte Jean. „Ich bin jetzt fest davon überzeugt, daß er ein Hexer ist, ein böser Dämon in Menschengestalt. Solche Wesen finden immer Mittel und Wege, diesen Bann zu durchbrechen. Sie können sich einer Maus oder eines Nachtvogels bedienen, der das Pentagramm zerstört. Und dann…“ Jean schüttelte sich.
Jolliet dachte nach. „Und wie ist das mit der Pistole und den silbernen geweihten Kugeln? Könnten wir ihm nicht damit beikommen, Monsieur Dougnac?“
Jean blickte erschrocken auf. „Sie wollen doch hoffentlich keine Dummheiten machen, Inspektor“, meinte er vorwurfsvoll. „Wenn Sie diesen Mann erschießen, kommen Sie ins Zuchthaus, während sich dieser Unhold in aller Ruhe einen
Weitere Kostenlose Bücher