0913 - Im Land der Riesen
du?"
Der junge Mann lächelte.
„Ich bin Sindbad, der Raumfahrer. Hast du schon von mir gehört, schöne Prinzessin?"
Vielleicht hätte ihm jeder andere Mensch geglaubt, aber Baya Gheröl hatte auf dem Rücksiedlerschiff die Bücherspule abgehört, die die Märchen aus Tausendundeiner Nacht enthielten - und deshalb wußte sie, daß Sindbad eine orientalische Märchengestalt war und außerdem kein Raumfahrer, sondern ein Seefahrer.
Und das entelechische Denken sagte ihr, daß jemand, der sie so belog wie der junge Mann, Böses im Sinn haben mußte. Außerdem sagte ihr das zielgerichtete entelechische Denken, daß sie, wenn sie überleben wollte, nicht die Wahrheit sagen durfte, sofern sie ihr Nachteile einbringen konnte.
Deshalb schüttelte sie den Kopf.
„Nein, überhaupt nichts°, antwortete sie, ohne zu ahnen, daß das Zittern ihrer Stimme und ihre Beteuerung statt einer bloßen Verneinung sie verrieten.
„Was tust du auf Shuma?" wollte Sindbad wissen.
„Ich gehe nur ein bißchen spazieren, bis mein Schiff wieder landet und mich abholt", sagte das Mädchen, um klarzustellen, daß es auf Hilfe von außen rechnen durfte.
„Es sieht so aus, als hättest du dich verlaufen", stellte Sindbad fest.
„Nein, ich habe nur etwas verloren", erwiderte Baya Gheröl. Im nächsten Moment durchlief es sie heiß und kalt und sie zitterte davor, daß der Fremde ihr anbot, bei der Suche zu helfen und daß er das Auge fand.
„Ich kann dir helfen, es wiederzufinden", meinte der Fremde tatsächlich wenige Sekunden später. „Wie sieht es denn aus?"
Verzweifelt überlegte das Mädchen was es Sindbad erzählen sollte. Die Wahrheit wollte sie nicht sagen, denn wenn sie das Aussehen des Auges beschrieb war die Gefahr groß, daß der Fremde es fand.
Wo nur der Helk bleibt!
Sindbad lächelte und sagte: „Nun, eine Frau kann nicht Hunderte von Kilometern an einem Tage gehen. Folglich befindet sich der Gegenstand in der Nähe: Und da es auf diesem Planeten keine technischen Erzeugnisse gibt -jedenfalls nicht an der Oberfläche - ,werde ich den Gegenstand sofort erkennen, wenn ich ihn sehe."
Eine Frau? überlegte Baya Gheröl. Wie kann er mich mit einer Frau verwechseln? Ich bin doch für ein siebenjähriges Mädchen sogar noch zu zart und zu klein!
.Ich rate dir, mir zu folgen Baya", sagte Sindbad. „Allein findest du wahrscheinlich nicht hinaus."
„Was war das eigentlich für ein ballartiges Ding, das hier hereingehüpft ist?" fragte Baya Gheröl, einer impulsiven Eingebung folgend.
Zum erstenmal wirkte Sindbad verlegen.
„Das - ähem - war wohl ein Muti", stotterte er. Schnell wandte er sich um und ging zwischen zwei Klippen entlang.
Baya befolgte seinen Rat und eilte hinter ihm her. Erst als sie die grasbewachsene Ebene betraten, überlegte sich das Mädchen, daß Sindbad sie nicht ins Freie hatte führen müssen, sondern daß er sie genausogut noch weiter und tiefer in den Irrgarten hätte führen können.
Dieser Widerspruch mit den unlauteren Absichten, die sich hinter der Lüge betreffs Sindbad verbergen mußten, verwirrte Baya aber nicht lange, denn nach weniger als fünf Minuten schnellen Gehens erblickte sie weit vor sich einen glitzernden Gegenstand.
Sindbad entdeckte ihn im gleichen Augenblick. Er ging schneller, aber kurz vor dem Auge stockte sein Fuß.
„Was ist das?" fragte er mit merkwürdig flacher Stimme.
„Ein Zauberstab", log Baya, ohne zu wissen, warum sie das sagte.
Sindbad lachte unsicher.
Er trat dicht neben das Auge, bückte sich und streckte die Hand danach aus. Äußerst vorsichtig faßte er das stabförmige, zirka zwanzig Zentimeter lange Gebilde an und hob es auf.
Als er es drehte und plötzlich mitten in das Funkeln, Strahlen und Glitzern des halbkugelförmigen Endes schaute, ließ er es mit einem Aufschrei wieder fallen.
Und im nächsten Moment war er verschwunden.
Zitternd vor Angst sah Baya Gheröl sich um. Sie konnte sich nicht erklären, wie der Fremde, der sich Sindbad genannt hatte, so plötzlich verschwunden war und sie ahnte auch nicht, wohin er verschwunden war.
Aber dann sah sie, daß das Auge noch im Gras lag. Sindbad hatte es also nicht gestohlen.
Baya sank neben dem Auge ins warme Gras, legte den linken Arm über den geheimnisvollen Gegenstand, streckte sich aus und war kurz darauf eingeschlafen...
*
Kenar Tomp saß in seinem thronartigen Sessel aus massivem Stahlplastik, hatte die Füße auf einen meterhohen Schemel gelegt und rauchte eine Zigarre,
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