0914 - Stygias Angriff
alles durchdrang und die Umgebung außerhalb dieser Quelle so unerträglich für seinesgleichen machte, gestört wurde. Das war das Wichtigste, so hatte die Schmerzensbringerin gesagt, diesen unheiligen Tempel der weißen Magie zu verderben und den Einflüssen der Hölle preiszugeben.
Der Dämon atmete ruhig und spürte seine Kraft wachsen. Er würde es schaffen, das wusste er. Je weiter dieses Ritual da unten fortschritt, desto sicherer wurde er, dass er seine Aufgabe würde erfüllen können: diesen Ort zu verderben und ihn der ewigen Verdammnis preiszugeben.
***
Entsetzt starrte Nicole nach unten auf den Schlosshof.
Wo war der Blitz hergekommen? Und der Donner? Zwar schien heute kein Mond, aber dennoch - der Himmel war sternklar gewesen.
Ja, wirklich: gewesen. Denn jetzt breitete sich von unten, aus der Mitte des mit Kreide gemalten Siegels, Dunkelheit aus. Da läuft irgendetwas gewaltig schief! , schoss es der Gefährtin des Professors durch den Kopf. Sie wollte schon nach unten stürzen, doch im letzten Moment überlegte sie es sich anders. Von hier oben hatte sie den besseren Überblick, auch wenn die Dunkelheit, die jetzt aus der Mitte des gemusterten Kreidekreises aufstieg, dichter wurde. Dunkelheit, hier auf dem Schlosshof von Château Montagne, das war keine gute Sache. Nicole hastete zum Fenster zurück, während ihre Hand in die Hosentasche fuhr. Erleichtert umfassten ihre Finger die beruhigend kantigen Konturen des zweiten Dhyarra-Kristalls. Ja, sie blieb lieber hier oben, wo sie den Überblick hatte. Selbst wenn die Dunkelheit, die sich aus der Mitte des sorgsam gemalten Kreises auszubreiten schien, zunahm, würde sie mit dem zweiten Dhyarra eher für Helligkeit sorgen können. Die Tatsache, dass sie eben nicht unten bei William und Zamorra stand und auch nicht die Absicht hatte, zu ihnen zu stoßen, konnte sich hier möglicherweise als Glücksfall erweisen. Sie stellte sich an den Fensterrahmen und versuchte, die Situation auf dem Schlosshof zu erspähen.
Die große Gestalt, das war Zamorra. Ihren Gefährten hätte sie immer erkannt, da gab es keinen Zweifel. Trotz des einfachen schwarzen T-Shirts, das er an diesem Abend trug, war er für sie in der Schwärze da unten gut zu erkennen. Dann war da William, etwa so groß wie der Professor, aber schlanker gebaut und nicht so breitschultrig, hagerer. Die beiden riefen einander etwas zu, das Nicole nicht verstand. Es klang überrascht, beunruhigt, aber nicht so aufgeregt, wie es wohl gewesen wäre, wenn sich vor ihnen ein leibhaftiger Dämon materialisiert hätte. Etwas beruhigt, sah Nicole genauer hin. Die beiden waren offenbar nicht allein. Ja, jetzt sah sie es. Dort war auch noch eine dritte Gestalt.
Kleiner und in fließende Gewänder gekleidet. Nicoles Augen verengten sich in dem Bemühen, besser sehen zu können. Doch vergeblich. Das Einzige, was sie erkennen konnte, war die Tatsache, dass diese Gestalt offenbar in der Mitte des Kreidemusters gefangen war. Sie konnte nicht daraus hervortreten, obwohl sie sich bemühte.
Also war es doch ein Sigill? Aber von wem? Ich dachte wirklich, ich würde alle Sigille der höheren Dämonen kennen. Aber dieses hier…
Zeit für den Dhyarra, dachte sie sich. Sie zog den Sternenstein aus ihrer Tasche und umfasste ihn mit beiden Händen. Das sanfte, kaum wahrnehmbare Leuchten, das von dem Stein ausging, wirkte beruhigend auf Nicole. Sie konzentrierte sich und ließ die gerade erst beobachtete Szenerie vor ihrem inneren Auge lebendig werden. Der Reihe nach entstanden die Mauern des Schlosses, der gepflasterte Hof, die Wagen darauf, das sorgfältig gemalte Siegel mit Zamorra und William davor. Alles war in die seltsam dichte Finsternis gehüllt, die sich seit ungefähr einer Minute auf dem Burghof breitmachte. Nicole dachte sich noch die unbestimmbare dritte Gestalt dazu und stellte sich dann vor, wie sich ein bläuliches Leuchten langsam ausbreitete. Überall da, wo es schien, wich die Dunkelheit zurück, als würde ein Film rückwärts laufen. Die wolkige Finsternis zog sich wieder zurück.
***
Der gestaltlose Dämon fluchte.
Wieder eine Störung! Und noch dazu eine ernstzunehmende.
Das war nicht das, was die Grausame versprochen und angekündigt hatte. Das war etwas anderes, Giftigeres. Der Dämon begann das erste Mal, sich zu fürchten. Er wollte nicht gegen diese geballte weißmagische Kraft angehen, da mochte seine Herrin es noch so sehr wollen und er ihr noch so sehr ergeben sein. So sehr ich die
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