0915 - Macht des Schicksals
Seele nicht leben kann.«
»Ich bin die Ausnahme, John. Auch wenn ich zustimmen würde, wird es dazu nicht kommen.«
»Weshalb nicht?«
»Weil sie schon hier sind.«
Ich brauchte nicht zu fragen, wer da war, ich hörte plötzlich das schrille Wiehern des Pferdes, das wie eine Warnung klang.
»Sie sind da, John!«
Verdammt, er hatte recht. Plötzlich waren wir wieder Verbündete. Das Schicksal hatte uns unsichtbare Fesseln angelegt. Ich war gezwungen, mein Vorhaben zurückzustellen.
»Was tun wir jetzt?«
»Warum fragst du mich das?«
»Weil du dich in dieser Zeit aus kennst.«
»Ich trage nur mein Schwert.«
»Das ist immerhin eine Waffe.«
Er lachte. »Glaubst du denn, es wären nur drei oder vier Männer. Nein, das sind mehr.«
Es hatte keinen Sinn, lange zu reden. Das Pferd wieherte wieder schrill, um danach abrupt zu verstummen. Als wäre dies mit einem letzten Schrei geschehen, so kam es mir vor.
Ich war nicht mehr auf der Stelle stehengeblieben, sondern zu einer der Öffnungen gehuscht. Aus dem Augenwinkel sah ich, daß St.Clair sein Schwert gezogen hatte und es kampfbereit in der rechten Hand hielt. Natürlich war ich nicht so dumm, mich offen an diesem Mauerloch zu zeigen. Ich preßte mich daneben mit dem Rücken gegen die Wand und schielte dabei nach draußen.
Die Soldaten waren nicht zu sehen. Allerdings war Gilles de St.Clair auch keinem Irrtum unterlegen, denn sein Pferd hatte sich nicht grundlos zu Boden geworfen und sich auch bestimmt nicht selbst die Lanze in den Hals gerammt. Die Wunde blutete stark, um den Kopf des Tieres hatte sich schon eine dunkle Lache gebildet, die im Nu Schmeißfliegen anzog. Sie umschwirrten den Kadaver, als wollten sie eine besondere Musik machen.
»Dein Pferd ist tot!« rief ich St.Clair leise zu.
Er hatte sich im Schatten in einem Mauerwinkel aufgebaut und nickte mir zu. »Dann sind sie auch da. Ich wußte es. Sie werden von einem Hügel aus das Pferd und auch unsere Bewegungen gesehen haben.« Er lachte scharf. »Ich denke nicht, daß du deine Eltern jemals wiedersiehst. Du wirst hier dein Leben verlieren. Die Soldaten Roms kennen keine Gnade. Erst recht nicht, wenn sie jemanden mit einem Katharer antreffen. Aber ich denke schon, daß wir uns verteidigen werden - oder nicht?«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
Er stellte eine spöttische Frage. »Und wie willst du dich wehren? Kein Schwert, keine Lanze und…«
»Das laß meine Sorge sein. Ich komme aus einer anderen Zeit, und dort gibt es auch andere Waffen.«
Auf eine Antwort wartete ich nicht, denn ich hatte mich von der Sicht nach draußen schon zu lange ablenken lassen. Jetzt schielte ich wieder um die Ecke, und da sah ich die ersten Bewegungen. Sie waren zu zweit. Sie trugen keine Rüstungen, nur Kettenhemden. Keine Helme. Ihre Gesichter waren bärtig, und einer von ihnen hatte mich gesehen. Aus vollem Lauf heraus schleuderte er seine Lanze zielgenau auf das Loch zu.
Hätte ich den Kopf nicht zur Seite genommen, wäre er gespalten worden, so aber huschte die Waffe vorbei und prallte mit einem klirrenden Geräusch gegen die Wand.
Auf meinen Mitstreiter konnte ich nicht mehr achten, denn der draußen aufgellende Schrei machte mir klar, daß die Horde dabei war, anzugreifen.
Sie wußten, daß wir nur zu zweit waren. Deshalb nahmen sie auch nicht die Rücksicht, die sie bei einem Ring aus Verteidigern genommen hätten. Sie stürmten auf die Ruine zu, und der Lanzenwerfer war der erste, der durch das Loch kletterte.
Darauf hatte ich gewartet.
Mit der Beretta schlug ich zu.
Mit einem dumpfen Schlag donnerte der Kolben gegen seinen Kopf und der Mann sackte zusammen, fiel mir praktisch vor die Füße, blieb liegen.
Sofort stürmte der zweite herbei. Er sprang über die Brüstung hinweg. Bewaffnet war er mit einem Kurzschwert, das er noch während des Sprungs in meine Richtung schlug.
Ich war blitzschnell zurückgewichen, deshalb fauchte es an mir vorbei. Ich kam wieder hoch und nach vorn und wunderte mich abermals darüber, wie klein die Menschen zur damaligen Zeit doch gewesen waren. Den Stein hielt ich in der linken Hand. Schießen wollte ich nur im Notfall. Der Mann stürmte mit dem nach vorn gerichteten Schwert auf mich zu, aber er kam zu keinem Stoß, denn der Stein war schneller. Von mir wuchtig und zielsicher geworfen, erwischte er sein Gesicht und zertrümmerte es. Schreiend fiel er zu Boden, preßte die Hände vor sein Gesicht und wälzte sich mehrmals herum, bis ihn die erste Stufe
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