0915 - Macht des Schicksals
jetzt noch seine Frau einstieg, war vielleicht alles gar nicht mehr so schlimm. Sie würden einer düsteren Zukunft entfliehen.
Sinclair fuhr an.
Er war konzentriert, saß beinahe sprungbereit hinter dem Lenkrad, verfolgte das Licht der Scheinwerfer, wie es über den Boden glitt und auch an der Hauswand links von ihm wie ein glänzender Hauch entlangstrich.
Noch war alles normal. Da brauchte er sich keine Gedanken zu machen.
Um die Haustür zu erreichen, wo hoffentlich Mary wartete, mußte er an der Hausecke nach links fahren. Reine Gewohnheit, er nahm es locker hin, er hatte es oft genug getan, aber an diesem Abend war er vorsichtig geworden. Noch immer hatte ihn das Gefühl, in eine fremde Welt hineingeraten zu sein, nicht verlassen. Es mochte auch an dem Himmel liegen, der so gefleckt aussah. Dort lösten sich bleiche und fahle Lichter mit denen der unterschiedlich grauen Wolken ab, so daß dort oben ein regelrechtes Mosaik entstanden war.
Auch das war normal.
Dann die Linkskurve.
Er nahm sie langsam, was ebenfalls normal war. Sinclair hoffte, daß seine Bedrückung bald verschwinden würde und sie beide es schafften, dem Verfolger zu entwischen.
Auch die Lichter machten die Bewegung mit. Sie strahlten parallel zur vorderen Hauswand und erreichten natürlich auch den Bereich vor der Eingangstür.
Dort wartete Mary.
Horace F. Sinclair atmete auf. Sie hatte ihr Versprechen gehalten, und es war ihr auch nichts passiert, sonst hätte sie ja nicht draußen gestanden und auf ihn gewartet.
Ja, das war gut. Nur so konnte man gewinnen. Man mußte einfach die Nerven behalten.
Er fuhr langsamer und wollte sich schon nach links drücken, um auch die Tür dort zu öffnen.
Da fiel ihm etwas auf!
Mary bewegte sich nicht. Sie stand einfach nur da und wartete auf ihn. Wie eine Puppe, die jemand vor die Tür gestellt hatte. Und ihre Arme hingen an beiden Seiten des Körpers kraftlos nach unten, wobei der rechte Arm verlängert wirkte und plötzlich Licht reflektierte.
Metall?
Aus einem Impuls heraus stoppte Horace seinen Wagen. Seine Sicherheit der letzten Sekunden war plötzlich verschwunden. Es traf ihn wie ein mächtiger Schlag ins Gesicht, denn urplötzlich war all der Schrecken zurückgekehrt, obwohl er den Schatten nicht sah, aber das brauchte auch nicht zu sein, das kannte er leider von sich selbst.
Mary hob den rechten Arm.
Dann auch den linken.
Dann schwenkte sie einen schimmernden Gegenstand nach vorn und griff auch mit der anderen Hand zu.
Horace F. Sinclair sah es. Er kam sich vor wie eingefroren. Er wußte, was seine Frau in den Händen hielt, aber er wollte es nicht wahrhaben, weil es für ihn, der nicht betroffen war, unwahrscheinlich wirkte.
Sie hielt ein Gewehr fest.
Und sie zielte damit auf den Wagen.
Nein, nein! Er schrie nicht, er schüttelte plötzlich den Kopf, und dann wurde die Stille von den peitschenden Echos der Schüsse brutal zerrissen…
***
»Sie sind weg!« flüsterte Suko. »Verdammt noch mal, sie sind weg!« Er hatte den letzten Satz geschrieen und für einen Moment die Beherrschung verloren, was bei ihm selten vorkam. Er fühlte sich so mies und ausgeklammert. Da hatten sie eine Spur gehabt, auch wenn sie nicht direkt greifbar gewesen war, doch nun hatte sich diese Spur, diese Zusammensetzung von Bildern, vor seinen Augen aufgelöst.
Es gab weder John noch diesen St.Clair. Sie hatten sich wieder in die Lücke zwischen den Zeiten zurückgezogen.
Der Abbé ging auf Suko zu. »Es tut mir leid«, sagte er, »die Brücke ist einfach zu schwach gewesen.«
Suko nickte. »Ich weiß es, und ich kann dir auch keinen Vorwurf machen. Du hast getan, was du konntest. Es war schon viel. Ich hätte nie gedacht, daß es hier zu einem Zusammentreffen der Zeiten kommen würde.« Er lächelte. »Deshalb sind wir so erfolglos auch nicht gewesen. Oder was meinst du, Abbé?«
»Es stimmt, wir haben etwas erreicht.«
»Was bedeutet das?«
»Wir werden hier warten, Suko. Für mich ist diese alte Kapelle der Ausgangspunkt. Hier hat es begonnen, und hier könnte es auch enden, denke ich mir.«
»Dann müßte dieses Zeitphänomen erneut entstehen, aber so intensiv, daß John die Vergangenheit wieder verlassen kann, möglicherweise auch durch die Hilfe dieses St.Clair.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Warten wir?«
Bloch hob die Schultern. »Wird uns denn etwas anderes übrigbleiben? Es gibt nur eine Chance durch den Würfel.«
»Kann, aber muß nicht sein.«
In den dunklen Augen des Abbés
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