0915 - Macht des Schicksals
stehen. Den Kopf hielt er gesenkt, so konnte er auf mich niederschauen.
Wieder sagte er etwas, was ich nicht verstand, antwortete nur einsilbig und hatte genau das Richtige getan, denn der Blonde nickte mir zu. Er wollte meinen Namen wissen.
»John Sinclair.«
Er hatte meine Antwort verstanden. Allerdings nicht nur er, die anderen ebenfalls, und sie wurden von der gleichen Unruhe erfaßt wie der Blonde.
»St.Clair…?«
»Nein, Sinclair.«
Ich hatte meinen Namen bewußt betont und auch nicht so singend ausgesprochen, wie es ein Franzose tat, aber die Irritation bei ihm blieb. Er drehte sich um. Man machte ihm Platz. Er schaute dorthin, wo St.Clair tot auf dem Bauch lag, dann kehrte er wieder zurück und schüttelte den Kopf.
»Ich bin nicht er!« sagte ich. »Sinclair!« schrie er mich an.
Ich lächelte, denn ich hatte die exakte Betonung des Namens mitbekommen. »Wer bist du?«
»Ich habe einen ähnlichen Namen, aber ich gehöre nicht zu ihm. Ich bin kein Katharer.« Obwohl der Staub in meinem Hals kratzte, hatte ich laut sprechen können, zwar etwas krächzend, aber dennoch verständlich, hoffte ich zumindest.
Der blonde Anführer reagierte nicht. Er strich wieder über seine Wunde, wahrscheinlich aus Verlegenheit. Seine Soldaten wagten es nicht, irgendein Wort zu sagen, blieben still, und nur das Atmen der Männer, die auf meinen Arm- und Beingelenken hockten, war zu hören. Der säuerliche Gestank aus ihren Mäulern strich sogar über mein Gesicht.
Der Blonde mußte sich entscheiden. Er hatte blaue Augen, wie ich deutlich sah.
Er war eben ein Mann aus dem Norden des Landes. So stimmte die Historie wieder, denn es waren die Truppen gewesen, die wie die Barbaren in den Süden eingefallen waren.
Wollten sie mich töten?
Bestimmt, denn sie Mußten mich als Feind ansehen. Meine Kleidung und mein Gehabe hatten sie jedoch verunsichert. Hinzugekommen war die Neugierde. Andere Feinde gab es nicht in der Umgebung, so hatten sie die nötige Zeit, sich mit mir beschäftigen zu können. Die Wahrheit wollte der Blonde unbedingt herausfinden. Wenn er schon mit Worten nicht weiterkam, versuchte er es auf eine andere Art und Weise. Deshalb ging er in die Knie, wobei er mich nicht aus dem Blick ließ, und plötzlich strichen seine harten und auch schmutzigen Hände über meinen Körper hinweg, wo er etwas suchte.
Er fand die Beretta, zog sie hervor, schaute sie sich an und blickte in die Höhe, wobei er die Waffe ebenfalls hochhielt und sie den anderen Soldaten zeigte.
Seine Soldaten starrten ihn nur an. Sie kamen mit der Beretta ebensowenig zurecht wie ihr Anführer, der die Waffe wieder an ihren Platz steckte.
Ich hatte in den letzten Sekunden den Atem angehalten. Es war wirklich eine Wanderung auf einem schmalen Grat gewesen. Hätte der Mann den Stecher durchgezogen, wäre die Hölle losgewesen.
Möglicherweise hätte er auch mich getroffen. So war der Kelch noch einmal an mir vorübergegangen. Der Schweiß stand mir auf der Stirn.
Das Herzklopfen ließ allmählich nach, aber der Blonde war nicht zufrieden. Die Waffe hatte er gefunden, wieder weggesteckt, und jetzt suchte er weiter.
Unter meinem Hemd hatte er auf meiner Brust das Kreuz ertastet, und schon beim ersten Kontakt mit meinem Talisman war er zusammengezuckt.
Starr blieb er vor mir hocken.
Ich hätte einiges dafür gegeben, seine Gedanken lesen zu können, aber das war nicht möglich.
Er schüttelte den Kopf, schaute mich an, und ich las aus diesem Blick die Forderung nach einer Erklärung. »Es ist ein Kreuz«, sagte ich leise, »ein Kreuz.«
Der Anführer nickte. Die Knöpfe an einem Hemd waren für ihn ebenfalls neu, deshalb packte er zu und riß beide Hälften auseinander, so konnte er endlich sehen, was darunter verborgen gewesen war.
Ich hatte meinen Kopf ein wenig angehoben und schielte an meinem Kinn vorbei auf die Brust. Das matte Silber spiegelte das Licht wieder, und als ich das sah, fühlte ich mich plötzlich wieder wohler.
Der Blonde aber reagierte so, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Sein nach vorn gebeugter Körper zuckte in die Höhe, und aus seinem Mund löste sich ein Schrei. Dabei erstarrte sein Gesicht, da wurden die Augen zu Glas, da waren sie verdreht, und aus dem Rachen drang ein Röcheln.
Ich kam damit nicht zurecht, denn mit einer derartigen Reaktion hatte ich nicht rechnen können.
Der Blonde schlug beide Hände vor sein Gesicht. Er verharrte für einige Sekunden so, dann ließ er die Arme wieder
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