0916 - Der Quellmeister und die Bestie
dankbar! Bist du schon lange hier unten?"
„Nicht lange", antwortete der humpelnde Tantha.
„Ich dachte es mir. Ich habe dich nie zuvor gesehen. Du bist wahrscheinlich bei der letzten Opferfeier übriggeblieben."
„Das muß die Erklärung sein", antwortete Tantha ausweichend, weil er erkannte, daß sein Gegenüber die Worte nicht auf die Goldwaage legen werde.
„Wie sieht es droben aus?" fragte der andere voller Aufregung. „Gibt es etwas Neues? Herrscht Boronzot noch immer über die Wahren Zaphooren?"
„Er herrscht noch. Sehnst du dich nach der Oberwelt, mein Junge?"
„Oh ihr Geister, ja!" seufzte der junge Priesteranwärter. „Wie habe ich dieses laut- und freudlose Dasein satt!"
„Dann gibt es für dich Hoffnung, mein Freund!" erklärte der humpelnde Tantha mit fester Stimme. „Das Reich der Priester wird womöglich nicht mehr lange existieren. Ein Mächtiger ist gekommen, um es mit dem Götzen aufzunehmen, und womöglich kehren wir bald alle an die Oberwelt zurück!"
Der junge Zaphoore stand einen Augenblick wie erstarrt. Seine Augen leuchteten. Er wollte nach Tantha greifen, ihn zurückhalten. Bevor er aber dazu kam, war der Humpelnde in den Gang hinausgetreten und hatte die Tür hinter sich zugezogen.
*
Er spähte den Korridor entlang. Ringsum war es still. Die Beleuchtung des Ganges war auf einen Bruchteil ihrer früheren Intensität zurückgedreht worden. Die Pause der Ruhe hatte bereits begonnen. Der humpelnde Tantha fühlte sich sicher. Er würde niemand begegnen. Und wenn das Unwahrscheinliche doch eintrat, dann verstand er es, mit dem Felsgestein zu verschmelzen, als wäre er ein Teil von ihm.
Er richtete seine Schritte zu der Halle hin, in der das Feuer gebrannt hatte. Er widerstand der Versuchung, die Zelle zu öffnen, in der man Pankha-Skrin untergebracht hatte. Er hätte nicht gewußt, was er seinem Gefährten berichten sollte. Es war besser, wenn er sich erst ein wenig umsah.
Als er die Halle erreichte, wandte er sich nach rechts und gelangte zu dem mittleren der drei Felsgänge.
Auch dort war die Beleuchtung verringert worden. Der Humpelnde drang vorsichtig in den Stollen ein. Wie in den beiden anderen gab es auch hier Türen zu beiden Seiten. Tantha vermutete, daß sich dahinter die Räume befanden, in denen die Priester untergebracht waren. Er huschte rasch von einer Tür zur anderen und lauschte daran, hörte aber nirgendwo einen Laut.
Schließlich gelangte er an eine Stelle, an der der Stollen sich trichterförmig zu weiten begann. Er wuchs in die Höhe ebenso wie in die Breite und endete vor einem riesigen Portal, das aus reinem Gold ausgeführt zu sein schien.
Da allerdings war der humpelnde Tantha mit seiner Weisheit vorläufig am Ende. Wie wünschte er sich, jetzt den Loower an seiner Seite zu haben, dem anscheinend kein Tor und kein Portal auf die Dauer Widerstand leisten konnte. Aber jetzt umkehren und Pankha-Skrin aus seiner Zelle holen, das wäre Zeitverschwendung gewesen.
Tantha begann also, seine eigene Findigkeit zu erproben, indem er das metallene Portal abtastete und sich hier und da auch mit der Schulter dagegen stemmte, um zu sehen, ob sich irgendwo eine Öffnung erzwingen ließe.
Mit einem Erfolg hatte er nicht wirklich gerechnet. Darum war er über alle Maßen erstaunt, als ein Stück des metallenen Gebildes unter seinem Druck plötzlich nachgab. Es öffnete sich eine kleine, kaum mannshohe Tür, die ihrerseits wieder Bestandteil des großen Portals war. Tantha schob sie so weit auf, bis er ohne Mühe durch die Öffnung blicken konnte.
Da sah er allerdings nicht viel; denn in dem über alle Maßen großen Raum, in den er blickte, waren die Lichter ebenfalls gedrosselt worden. Aber er nahm einen unangenehmen, durchdringenden Geruch wahr, den er sich nicht erklären konnte.
Zu den wenigen Dingen, die er sah, gehörte ein riesiges, steinernes Piedestal, das sich etwa einhundert Meter weit von ihm erhob und etwa zwanzig Meter weit aufragte. Es schien von rechteckigem Querschnitt zu sein, und in die Seiten waren Stufen gehauen, die zur Höhe des Felsklotzes empor führten. Oben auf dem Piedestal aber erhob sich ein pyramidenförmiges Gebilde, das der humpelnde Tantha, wenn er mit den Verhältnissen auf Terra vertraut gewesen wäre, als ein Zelt bezeichnet hätte. Es war an sich von beachtlicher Größe, wirkte jedoch unbedeutend im Vergleich mit den Ausmaßen des Piedestals.
Das, schloß der humpelnde Tantha, mußte die Wohnung des Oberpriesters
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