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092 - Piraten im Nordmeer

092 - Piraten im Nordmeer

Titel: 092 - Piraten im Nordmeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Blick wanderte über Laryssas ansehnliche Oberweite, sodass sie sich zusammenreißen musste, um sich nicht zu schütteln.
    Trotz alledem setzte sie ein schlüpfriges Grinsen auf und spielte obszön mit der Zunge am Rand ihres Humpens. Es wurde Zeit, dass sie zur Sache kam. Sie hatte keine Lust, die ganze Nacht in Gesellschaft von Männern zu verbringen, die nichts außer Fressen, Saufen, Foyken und Raufen im Sinn hatten: Sie wollte nach Norden, um endlich das zu tun, was sie sich nach dem Tod ihres Vaters geschworen hatte: die Spur des Lumpen aufzunehmen, der ihm die Kehle durchgeschnitten hatte, und ihn zu richten.
    Sie war nach dem Tod ihres Vaters aus zwei Gründen aufs Festland geflohen – einesteils aus Angst, die Meuterer könnten sie als Zeugin ihrer Bluttat mundtot machen; andererseits aus dem Verlangen heraus, sich in fremden Ländern jenes Geschick mit dem Säbel anzueignen, das man haben musste, wenn man einem räudigen Mörder gegenübertreten wollte. Nun war sie nicht nur erwachsen, sondern auch in vielen Schlachten gestählt: Sie war nicht mehr das ängstliche junge Mädchen. Bei den Norweja hatte sie gelernt, die Klinge zu schwingen und dem Tod ins Auge zu schauen. Nun brauchte sie das Klirren von Stahl und den Funkenflug wie das tägliche Essen und Trinken.
    Man mietet nur meinen Säbel, dachte sie. Aber nicht mich.
    Draußen war es inzwischen ziemlich finster geworden. Der Sturm heulte ums Haus. Die Gäste wankten allmählich ins Freie oder stolperten nach oben, um in Gesellschaft ihrer weiblichen Bekanntschaft an der Matratze zu horchen.
    Grimür beugte sich plötzlich vor und lallte: »Lass uns in unsere Kammer hinaufgehen, Froken Laryssa. Dort ist es privater und wir können es uns auf einem weichen Lager gemütlich machen.«
    Ingmor nickte eifrig und stand schon auf.
    Zu dritt? Laryssa unterdrückte einen Fluch und blickte sich um. Die Gaststube hatte sich fast geleert. Nur ein am Fenstertisch sitzender Greis klammerte sich trüben Blickes an einen Humpen und brabbelte vor sich hin. Zwei schwankende Waldläufer in ledernen Fransenjacken standen mit heftig qualmenden Kiffetten zwischen den Zähnen am Tresen und beglichen ihre Zeche. Dass die Flybusta in diesem Haus Quartier genommen hatten, war zwar günstig, denn dies war eine Nacht, in der man keinen Koyter vor die Tür schickte, doch andererseits…
    Na schön, dachte sie. Schließlich bin ich nüchtern. Sie verbiss sich einen Seufzer und stand ebenfalls auf.
    »Schreib unseren Verzehr mit auf die Rechnung, Wirtin«, sagte Grimür. Er zwinkerte der drallen Blondine hinter dem Tresen zu, legte Besitz ergreifend einen Arm um Laryssas Taille und schob sie zu der schmalen hölzernen Stiege, die am Ende der Gaststube nach oben führte. Das Gebäude, so hatte Laryssas wacher Blick schon vor dem Eintreten registriert, war drei Stockwerke hoch. Wenn ihre neuen Bekannten in der obersten Etage hausten, konnte eine Flucht von dort aus unter Umständen schwierig werden.
    Doch dann fiel ihr ein, dass die in den nordischen Wäldern hausenden Völker seit Anbeginn der Zeiten für solche Fälle gewisse Vorkehrungen trafen…
    ***
    Als Fünfzehnjährige hatte Laryssa an Bord eines Schiffes gelebt.
    Ihr Vater hatte es befehligt. Als Tochter eines Kapitäns hatte sie alle Privilegien genossen, die man sich nur wünschen konnte: Die Mannschaft war ihr mit Respekt begegnet.
    Niemand hätte gewagt, in ihrer Gegenwart unziemliche Reden zu führen. Dass ihr Vater ein Kaperfahrer im Dienst König Eisenarms war, hatte ihr nichts ausgemacht, denn es war ehrenwert, im Auftrag eines Herrschers zu plündern und zu morden.
    Dann hatte ihr Vater sie auf eine Fahrt zu den stürmischen Inseln der Skoothen mitgenommen. Da hatte sie gesehen, auf welch harte Weise die Männer der Meera-Inseln ihr täglich Brot verdienten. Ihr Vater hatte ihr erklärt, dass dies schon immer so gewesen war: Bei der Erschaffung der Welt hatte Wudan beschlossen, ihre Heimat karg und steinig zu machen.
    Deswegen wuchs dort weniger als die Menschen zum Leben brauchten.
    »Er hat uns ausersehen, unser Brot im Kampf zu verdienen«, hatte ihr Vater gesagt. »Deswegen, meine Tochter, bin ich ein Kaperfahrer wie mein Vater, sein Vater und dessen Vater vor ihm. Und auch du wirst eines Tages eine Kaperfahrerin sein – wenn es einem König genehm ist.«
    Dazu war es aber nicht mehr gekommen, denn nach dem Entern eines mit Schätzen beladenen Frachter der Ilaner hatte sich die Mannschaft gegen ihren Vater

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