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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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wo immer diese Finger hinfassten, nahmen sie Energie auf, brachten Kraft und Stärke hervor.
    Nicole bündelte diese Kraft, formte aus ihr einen Pfeil…
    HALLO??
    ... und schleuderte ihn ein drittes Mal nach vorn. Auf den alten, ihr so seltsam vertraut erscheinenden Mann. Der, von dem sie hoffte, dass er den mentalen Pfeil aufzufangen imstande war.
    Die Aktion kostete sie mehr an Selbstbeherrschung, als sie vermutet hatte. Selten zuvor hatte sich die Dämonenjägerin derart verausgabt, ohne auch nur einen Muskel zu rühren. Alles an ihr war Kontrolle, alles an ihr war Disziplin. Und doch blieb der Zweifel. Nicole war telepathisch veranlagt, seit Langem schon. Seit sie damals mit dem Vampirismus-Keim infiziert worden war - was sie dank der Waldhexe überwinden konnte - war dieses übersinnliche Talent ihr als stete Erinnerung erhalten geblieben.
    Sie wandte es selten an. Auf ihren Abenteuern begegnete sie so vielen Menschen und anderen Wesenheiten, die sich geistiger Gewalt bedienten, um ihre Ziele zu erringen, dass Nicole einen mentalen Schirm um ihr eigenes Bewusstsein errichtet hatte. Als Schutz vor etwaigen Angriffen oder Versuchen, sie auf diesem Wege zu beeinflussen. Nun aber drang sie von sich aus durch diesen Schirm, riss die eigens aufgebauten Barrieren für einen kurzen, hoffnungsvollen Moment ein.
    HÖREN SIE MICH?
    Da.
    Irrte sie sich, oder hatte der Alte mit dem Mundwinkel gezuckt, ganz sanft nur und dennoch wie aufs Stichwort? Es wäre eine kleine Sensation, fand Nicole. Sollte es ihr tatsächlich gelungen sein, ihren gedanklichen Ruf an ihn zu übermitteln?
    SIE MÜSSEN MIR HELFEN, JA?
    Gut möglich, dass sie sich die Reaktion nur einbildete. Gut möglich, dass all dies nicht mehr war, als reines Wunschdenken ihrerseits. Wer garantierte ihr schon einen Erfolg? Vielleicht - ach, wahrscheinlich! - machte sie sich gerade lächerlich, verschwendete unnötig Energie und Aufwand. Und dennoch… manchmal musste man eben auf die Außenseiter setzen, um überhaupt noch eine Chance zu haben.
    Nicole Duval hatte keine Ahnung, ob der Alte im Geiste sehen konnte, was sie ihm zu zeigen hoffte. Doch sie riss sich ein weiteres letztes Mal zusammen und beschwor vor ihrem inneren Auge die magische Energiekuppel, welche er aufrecht erhielt. Und dann stellte sie sich vor…
    ... wie sie sich öffnete. Groß genug für eine Person. Mindestens.
    Nichts geschah.
    Wäre ihr Geist ein Boxer, er hinge längst in den Seilen. Nicole hatte alles gegeben, jede mentale Kraftreserve für dieses eine, finale Bild motiviert - und als sie nun allmählich wieder aus ihrer Trance zurückkehrte, sah sie, dass sich nichts geändert hatte. Ihre Vorstellung war nicht Wirklichkeit geworden, hatte den Alten nicht erreicht. Seltsam, gerade weil er ihr so vertraut vorkam, hatte sie gehofft, dass er darauf reagieren, dass ihre Geistesübertragung funktionieren würde.
    Wie es schien, hatte sie sich geirrt. Und musste ihre Suche nach einem Fluchtweg ganz von vorne anfangen.
    ***
    »ACHTUUUUNG!!«
    Martinus' Schrei hallte durch die unterirdische Kammer, panisch und schrill. Wie der Klagelaut einer im Höllenfeuer unwiederbringlich verlorenen Seele. Und Zamorra traute seinen Augen kaum: Mit einem kurzen Flackern, das kaum länger als drei Sekunden anhielt, löste sich die schimmernde Energiekuppel, die den ganzen Raum vor unliebsamen Besuchern abgeschirmt hatte, buchstäblich in Nichts auf. Als habe irgendwo irgendwer einen Schalter umgelegt.
    Der Meister des Übersinnlichen wandte den Kopf, blickte zu Nicole - und wusste plötzlich genau, wer dieser Jemand gewesen war. Gutes Mädchen , dachte er überrascht. Wie auch immer du das gemacht hast…
    Die Mönche reagierten panisch. Wie von Sinnen stürmten sie aus ihrer Ecke, rissen ungläubig die Augen auf. Lautstarke Diskussionen begannen, hektisch, schrill. Manche der Männer reckten sogar die Arme in die Höhe, als müssten sie damit noch unterstreichen, was ihr Tonfall doch ohnehin allen deutlich machte: Sie hatten Angst und keine Ahnung, was gerade geschehen war.
    »Schnell«, brüllte einer der Kuttenträger, trat zur Wand und wühlte sich durch einen Stapel dort liegender Handschriften, als suche er nach einem »Gegengift«, für die momentane Situation. »Wir müssen es neu errichten, bevor uns die Zeitbeben erreichen. Jeder Moment kann der letzte sein.«
    Das sah der Professor genauso, wenngleich er auch andere Absichten verfolgte. Zamorra nutzte das Chaos, das unter den Geistlichen

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