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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Und was dieses Mädchen anbetrifft…« Abermals lachte er hämisch auf. »Wo sie jetzt steckt, wird sie es ohnehin nicht lange durchhalten. Von daher… Wie sagt ihr hier? Sie ist Wasser, das längst den Rhein runter geflossen ist.«
    Herr im Himmel, vergib mir. Ein Schauer lief Henne Gensfleisch über den Rücken, als er sich - unter dem kritischen Blick des Unheimlichen und mit Händen, die einfach nicht mehr zu zittern aufhören wollten - abermals an die Arbeit machte.
    ***
    Das Licht der wenigen Kerzen reichte gerade aus, um den Altarraum ein wenig zu erhellen. Der Rest des Dominneren war in Nacht gehüllt und bot der Vigil einen angemessenen Rahmen: Die wenigen Gläubigen - allesamt Mönche, wenngleich die Tür des Gotteshauses auch interessierten Normalsterblichen offen stand - hatten sich um den Altar versammelt und hielten bereits seit einer guten halben Stunde ihre nächtliche Gebetsandacht ab. Ganz, wie Heinrich es versprochen hatte.
    Zamorra und er hatten sich in den Schatten verborgen und beobachteten das Geschehen aus sicherer Entfernung, unbemerkt und leise. Doch konnte der Meister des Übersinnlichen nicht umhin, eine gewisse Anspannung zu verspüren. Denn die Kutten der Betenden dort vorne sahen exakt so aus wie die der Unbekannten, welche ihn und Nicole angegriffen hatten. Und er schwor sich, sie erst dann wieder aus den Augen zu lassen, wenn er wusste, was aus seiner Begleiterin geworden war.
    Nach weiteren endlos scheinenden Minuten voller lateinischer Gebete und Choräle löste sich die Gruppe auf. Gesittet und langsam machten sich die Mönche auf den Weg zum Ausgang der Kirche.
    »Schnell«, flüsterte Zamorra. »Wir müssen hinterher, bevor sie außer Sicht sind.«
    Heinrich legte ihm eine Hand auf den Arm, hielt ihn sanft aber bestimmt zurück. »Seht, dort! Ich glaube nicht, dass wir Gefahr laufen, ihre Spur zu verlieren. Im Gegenteil scheint es mir, als trenne sich hier gerade die Spreu vom Weizen.«
    Zamorra kniff die Lider enger zusammen und spähte erneut in die Schatten. Dann sah er es. Einer der Mönche bemühte sich auffällig unauffällig darum, seinen aus dem Dom ins Freie strömenden Mitbrüdern den Vortritt zu lassen. »Als ob er absichtlich als Letzter raus will«, murmelte der Professor. »Oder gar nicht…«
    Kaum hatten die Brüder ihre Kapuzen erneut aufgezogen, die sie nahezu ununterscheidbar machten, und den Dom verlassen, machte der Letzte von ihnen buchstäblich auf dem Absatz kehrt. Anstatt ihnen nach draußen zu folgen, schloss er leise die Domtür. Von ihrem sicheren Beobachterposten konnten Zamorra und Heinrich sehen, wie der Mann an der Seitenwand der Kirche entlang in den hinteren Dombereich eilte. Er wirkte seltsam übereifrig, als habe er es mit einem Mal sehr eilig, irgendwo hin zu kommen.
    »Na, jetzt wird's aber interessant«, flüsterte Heinrich, und zum ersten Mal seit seiner Rettung empfand Zamorra wieder wirkliche Dankbarkeit dafür, dass der junge Bursche an seiner Seite war. Wie es schien, hatte sich sein Hinweis mit dem Dom als Volltreffer herausgestellt.
    Der Mönch hatte derweil den westlichen, hinteren Teil des imposanten Gotteshauses erreicht. Trotz der Dunkelheit erkannten die beiden ungleichen Zuschauer, wie er eine Kerze aus einem der überall verteilten Ständer zog, sie in der Hand hielt und sorgfältig entzündete. Schwache Helligkeit breitete sich aus, wo der Kuttenträger stand. Der Mann blickte sich einmal um, als wolle er etwaige Beobachter ausmachen, und wandte sich daraufhin zu einer Treppe, die, wie Zamorra nun erkannte, nach unten führte.
    »Jetzt bin ich längst nicht zum ersten Mal in diesem Gebäude«, wisperte der Meister des Übersinnlichen überrascht und musste plötzlich erneut an Andrew Millings denken, [1] »aber dass der Mainzer Dom einen Keller hat, war mir bisher unbekannt.« Mit dem Blick folgte er dem Mönch, der die Stufen hinab schritt, und als er außer Sicht gelangt war, stieß er Heinrich an. »Los, ihm nach. Mal schauen, was er um die Zeit noch allein da unten will. Wohin geht's da überhaupt?«
    »Meines Wissens in eine Kapelle«, murmelte Gutenbergs Lehrling und schlich sich aus ihrem Versteck. »Aber ich kann mich irren. Zum Gottesdienst gehe ich immer in unsere eigene Kirche in Brizzenheim.«
    Binnen Sekunden, der Kerzenschein auf den Stufen war noch nicht ganz verschwunden, hatten Heinrich Delorme und der Meister des Übersinnlichen die Treppe erreicht. Vorsichtig gingen sie hinab, immer darauf bedacht, in der

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