0924 - Der Herr der Nebelberge
von seinen gefährlichen Fehlfunktionen befreien konnte. Nun war auch noch Nicole weg. Er vermutete - hoffte! -, dass Nicoles »Fehlfunktionen«, mit denen der magischen Silberscheibe zusammenhingen, da sie auf geheimnisvolle Weise durch das FLAMMENSCHWERT mit ihm verbunden war, und dass sie vielleicht zu sich und Zamorra zurückfände, wenn Merlins Stern wieder ordnungsgemäß arbeitete.
Ein Klappern zerrte den Professor aus dem Gedankensumpf.
William stellte eine Tasse auf den Tisch, aus der es aromatisch dampfte. »Ihr Kaffee, Monsieur. Schön stark, so wie Sie ihn mögen. Ich hatte leider kein Hufeisen zur Hand, um zu prüfen, ob es darin schw…«
»Danke, William.« Zamorra fand es rührend, wie der Butler versuchte, ihn aufzuheitern. Im Augenblick stand ihm allerdings nicht der Sinn danach, sich die lockeren Sprüche anzuhören, für die sonst er zuständig war.
Er wandte den Blick den Personen zu, die mit ihm im Kaminzimmer saßen: der Erbfolger Rhett Saris ap Llewellyn, Anka Crentz und Dylan McMour. Rhett hatte ihn um eine Unterredung gebeten, wollte vermutlich aber nur seinen Beitrag zur Initiative Ablenkung für Zamorra leisten, so wie Robert Tendyke, die Peters-Zwillinge, Gryf, Teri Rheken, Artimus van Zant, die Bewohner des Dorfes unterhalb von Château Montagne oder Pierre Robin, die in regelmäßigen Abständen anriefen oder vorbeikamen und sich nach seinem Befinden erkundigten. Der Parapsychologe hatte selten in seinem Leben so viel Gesellschaft gehabt - und sich doch so unendlich allein gefühlt.
»Was kann er gewollt haben?« Rhett sah Zamorra fragend an.
»Was? Wer?« Offenbar war ihm ein Teil des Gesprächs entgangen, nachdem sein Blick ins Kaminfeuer und seine Gedanken zu Nicole gewandert waren.
»Matlock McCain natürlich. Von wem reden wir denn die ganze Zeit?«
»Klar. Tut mir leid.« McCain war ein Vampir, der vor fast zwei Jahren Rhett einen Teil der Llewellyn-Magie geraubt und Dylan McMour gebissen hatte. Anka war es mittels eines Zeitzaubers gelungen, Dylan von dem Keim zu befreien, allerdings hatte sie dazu den Vampir überrumpeln müssen. Durch einen unglücklichen Zufall tat sie das genau in dem Augenblick, als McCain sich Zugang zur Quelle des Lebens verschaffen wollte, einen Ort mit einer ganz eigenen Zeitmagie. Ankas Zauber kollidierte mit der Magie der Quelle und sie vereinigten sich zu etwas anderem: Sie schlugen eine Brücke zwischen den Zeiten, die Anka, Dylan und den Vampir achtzehn Monate in die Zukunft schleuderte, Zamorra hingegen in die Vergangenheit zu Rhetts früherer Inkarnation Logan riss. Selbst heute begriff der Professor noch nicht richtig, was da geschehen war. [1] »Er wollte zur Quelle des Lebens, so viel ist klar. Aber zu welchem Zweck kann ich dir nicht sagen.«
Anka und Dylan waren ins Château gezogen, weil McCain ihnen Rache geschworen hatte. Seither hatte er sie aber nicht mehr behelligt.
»Ob er sich wirklich noch an uns rächen will?«, fragte Dylan, der quirlige, junge Schotte. »Nichts gegen die Gastfreundschaft auf Château Montagne, aber ich komme mir ein bisschen wie ein Gefangener vor. Ich vermisse meine Freunde, meine Reisen, meine Bücher, meine Filme - mein Leben!«
Wie Zamorra aus Dylans Erzählungen wusste, hatten dessen Freunde ihn manchmal als Dämonentouristen bezeichnet, weil er Phänomenen wie Geisterscheinungen oder UFO-Sichtungen auf der ganzen Welt nachreiste, um zu sehen, was an den Geschichten dran war. Aber auch in Literatur und Film interessierte er sich seit jeher für das Übersinnliche. Er tat es als sein Hobby ab, doch Zamorra war klar, dass etwas anderes dahintersteckte. Denn Rhett hatte in ihm einen Auserwählten erkannt, einen Menschen, den Rhett als Erbfolger zur Quelle des Lebens führen und ihm die relative Unsterblichkeit verleihen könnte. Noch wusste Dylan nichts davon. Rhett war sich nicht sicher, ob es schon an der Zeit war, seine Erbfolger-Pflicht zu erfüllen. Außerdem verfügte er nur über einen unkontrollierbaren Teil der Llewellyn-Magie, weil ihm Matlock McCain den Rest gestohlen hatte. Er wusste also nicht, ob er Dylan den Weg zur Quelle überhaupt zeigen konnte. Deshalb hatte er ihm noch nichts davon gesagt.
Zamorra dachte einen Augenblick über Dylans letzten Satz nach. »Es steht dir natürlich frei, das Château zu verlassen.«
Das haben schon ganz andere getan, von denen ich es nie vermutet hätte.
Du schweifst ab! Nicht an Nicole denken. Reiß dich zusammen.
»Wir können deine Bücher und
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