0924 - Lockruf der Psychode
Hochebene gerieten sie in einen Sandsturm, der so stark war, daß es die schweren Geländewagen fast fortgeweht hätte. Die Tempester mußten sich in Bodenspalten und unter die Wagen verkriechen. Zwei von ihnen schafften es nicht rechtzeitig und verschwanden im Orkan. Nachdem der Sturm abgeflaut war, fand Gota einen der beiden zweihundert Meter weiter mit verrenkten Gliedern und gab ihm den Gnadenstoß. Der andere blieb verschollen.
Sie kamen wieder in ein Gebiet, in dem Riesenechsen herrschten. Die Tempester bekamen Gelegenheit, sich auszutoben. Danach waren sie alle, selbst Gota, so lethargisch, daß sie auf den Geländewagen mitfahren mußten.
Organizz begann wieder ein Klagelied anzustimmen, und Hotrenor-Taak berichtete über Sprechfunk, daß er Generizza am Steuer abgelöst hatte. Der Lare fügte hinzu: „Der Zwotter hat irgend etwas von Riesen phantasiert, die ins Unermeßliche wachsen. Und von mächtigen Seelen, die man einatmet. Was mag er damit gemeint haben?"
Margor kannte die Legenden der Zwotter, die sich alle um die Psychode und deren Schöpfer drehten. Eine dieser Mythen besagte, daß die Ureinwohner in ihrem Streben nach immer größerer Vollendung schließlich ins Riesenhafte wuchsen, bis sie größer als ihre Welt waren. Ihre Seelen aber bildeten die Atmosphäre von Zwottertracht, und ihr Temperament gab den Stürmen die Kraft.
Und es hieß, daß die Prä-Zwotter den Weg ins Unermeßliche gemeinsam von einem bestimmten Ort aus angetreten hätten. Die Zwotter schienen keine bestimmte Vorstellung von diesem Ort zu haben, ein jeder besang ihn auf andere Weise. Aber Margor glaubte, daß es sich dabei um eine Stadt handelte, in die die Prä-Zwotter ihr gesamtes kulturelles Erbe gebracht hatten, bevor sie verschwanden.
Margor war sicher, daß diese Stadt existierte. Und unter dem Vermächtnis der Prä-Zwotter verstand er nichts anderes als deren Psychode. Er hatte schon immer geglaubt, daß die Zwotter wußten, wo diese Kultstätte lag, und auch Harzel-Kold hatte dies gemutmaßt. War es also nicht naheliegend, zu vermuten, daß die Zwotter die entwendeten Psychode ebenfalls dorthin gebracht hatten? „Ich glaube, wir sind bald am Ziel", sagte Margor.
Es war keine reine Vermutung. Der Gäa-Mutant vermeinte die Nähe von Psychoden zu spüren.
Alban Visbone hatte Organizz am Steuer des Geländewagens abgelöst. Der Zwotter saß auf dem Platz des Beifahrers und wand sich wie unter Schmerzen. Sein Gesang war so unverständlich geworden, daß nicht einmal Schneeflocke mehr etwas damit anfangen konnte. „Endstation!" verkündete Alban Visbone und hielt den Geländewagen an. „Es geht nicht mehr weiter", verkündete auch Hotrenor-Taak über Sprechfunk.
Sie waren in einem Talkessel angelangt, der an allen Seiten von hohen, schroffen Felswänden umschlossen war. Es gab nur den schmalen Zugang, durch den sie eingefahren waren.
Der Kessel war von einem gespenstischen goldenen Licht erfüllt, das von den Staubwolken kam, die sich um die Gipfel der Felserhebungen türmten. Die Luft war unbewegt, es herrschte Stille. Nur das feine Rieseln herabfallenden Staubes war zu hören. „Es regnet Sand", stellte Alban Visbone fest. „Golden flimmernden Sand. Selbst wenn es einen Weg gäbe, kämen wir mit dem schweren Fahrzeug nicht mehr weiter. Wir würden im Treibsand versinken."
„Aussteigen!" befahl Margor und stülpte seine Atemmaske vors Gesicht.
*
Vom anderen Geländewagen näherten sich Hotrenor-Taak, Pyon Arzachena und Allan Milestone. Generizza verließ das Fahrzeug als letzter und fiel kraftlos in den Sand. Schneeflocke trug Organizz zu ihm, richtete beide auf und lehnte sie mit den Rücken gegeneinander. Dann sang er verhalten auf sie ein. „Hast du die Ruinen gesehen, Boyt?" fragte Hotrenor-Taak, dessen Stimme durch die Atemmaske gedämpft klang. „Ruinen?" wunderte sich Margor und ließ seine Blicke über die senkrechten Felswände gleiten. Der Sandregen hatte sich verstärkt, so daß die Sicht schlechter geworden war und auf diese Entfernung keine Einzelheiten mehr zu erkennen waren. „Ja", bestätigte der Lare. „Aus dem Treibsand ragen Bodenerhebungen, die wie die Reste von Bauwerken aussehen. Wenn die Zwotter die Psychode in diesen Ruinen versteckt haben, dann werden wir ganz schön zu tun haben, um sie auszubuddeln."
„Wir sind am Ziel!" ließ sich Schneeflocke mit mächtigem Tenor vernehmen. „Die verheißungsvollen Botschaften kommen von überall. Wir sind im Zentrum der
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