Infinity Ewig Dein
Eve
Die letzten Studenten hasteten eilig über den grünen Innenhof hinter der Bibliothek des Hunter College. Sie strömten auf das kleine Seitentor zu, das sie hinaus ins Wochenende entlassen würde. Es war Freitagabend, das hieß, vor den meisten von ihnen lagen zwei Tage, die sie mit exzessiver Feierei und übermäßigem Alkoholkonsum in den angesagten Clubs von Manhattan verbringen würden.
Eve drehte sich vom Fenster weg und wandte sich seufzend wieder ihrem Spiegelbild zu. Okay, die Frisur war ihr einigermaßen gelungen. Sie hatte ihre langen, braunen Haare zu einem Knoten eingedreht und mit Haarnadeln festgesteckt. Einige Haarsträhnen lösten sich zwar bereits wieder, aber Eve fand, das sah locker aus und irgendwie sogar so, als hätte sie es nicht anders gewollt. Sie hatte sich, dem Anlass entsprechend, für schwarze enge Jeans und ein ebenso schwarzes lockeres Hemd entschieden. Jetzt fehlte nur noch der dazu passende schwarze Lidstrich - und der stellte Eve vor eine echte Herausforderung. Einmal mehr wünschte sie sich, ihre Mutter könnte jetzt hier sein und ihr bei der Bewältigung ihrer kleinen Mädchen-Alltagsprobleme helfen. Sicher, ihr Vater gab sich alle Mühe, die Elternrolle alleine auszufüllen, aber bei einigen Angelegenheiten bedurfte es nun mal der sachkundigen Hilfe einer Frau. Eve mochte gar nicht daran zurückdenken, wie ihr Vater herumgestottert hatte, als sie ihre erste Periode bekam und er ihr zu erklären versuchte, was da mit ihrem Körper passierte. Schlussendlich hatte die Mutter ihrer besten Freundin Grace die Aufklärung übernommen.
Hochkonzentriert und mit angehaltenem Atem setzte Eve den Eyeliner an, zog das rechte Augenlid straff und begann vorsichtig, eine Linie am Wimpernkranz entlang zu ziehen. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, war sie fertig und begutachtete das Ergebnis. Der Lidstrich war zwar etwas dünn ausgefallen, aber Eve war trotzdem zufrieden mit ihrer Leistung. Dadurch ermutigt nahm sie sich sogleich das andere Auge vor. Als es plötzlich an der Tür klopfte, erschrak sie allerdings so sehr, dass sie mit dem Eyeliner einen dicken, schwarzen Balken bis zur Augenbraue hoch zog.
„Verdammt“, fluchte sie, gerade als Grace, ohne ein Herein abzuwarten, schwungvoll die Tür aufriss und in Eves Zimmer stürmte.
„Ui, gefällt mir“, sagte Grace, als sie das Malheur sah, und grinste, „trägt man jetzt wohl so, was? Ich glaube, das hab ich sogar auf dem letzten Cover der Vogue so gesehen.“
„Haha, du bist so unfassbar lustig“, maulte Eve, die mit Hilfe eines Wattestäbchens versuchte, ihren groben Schminkpatzer zu korrigieren.
„Komm mal her, Süße, ich mach das schon“, meinte Grace. Sie war in der Tat ein echter Profi, wenn es um Make-up ging. Allerdings war ihre Art sich zu schminken für die meisten Menschen durchaus gewöhnungsbedürftig, denn Grace durchlebte seit nunmehr über einem Jahr eine düstere Gothic-Phase. Ihr eigentlich strohblondes Haar hatte sie tiefschwarz gefärbt, ihre Augen schminkte sie ebenfalls ausschließlich schwarz und ihre Nägel waren glänzende, schwarze Krallen. In ihrem weißen Gesicht mit den riesigen, dunklen Augen sorgte nur der stets blutrote Lippenstift für einen faszinierenden Kontrast. Neuerdings trug Grace sogar einen Nasenring. Der war zwar nicht gepierct – das hätten Graces Eltern unter keinen Umständen erlaubt – sondern nur angeklippt, jedoch stellte Eve sich das sogar noch schmerzhafter vor als ein echtes Piercing, denn das tat wenigstens nur beim Stechen weh.
Am heutigen Abend hatte Grace für den Gothic-Komplett-Look ein schwarzes Spitzenkleid gewählt, sowie zerrissene Strumpfhosen, die aufgrund mütterlicher Kontrolle ursprünglich sicher noch intakt gewesen waren, als sie das Haus verließ. Grace hatte sie vermutlich erst auf dem Weg zu Eve in der U-Bahn in liebevoller Kleinstarbeit und unter Zuhilfenahme einer Nagelfeile zu diesem Kunstwerk umgestaltet. Dazu trug sie natürlich ihre mittlerweile ausgelatschten Doc Martins.
Mit ruhiger Hand und absolut routiniert zog Grace bei Eve zwei perfekte Lidstriche, die nach außen hin einen leichten Schwung nach oben hatten. Grace bezeichnete diese Art von Lidstrich als ihr „Markenzeichen“.
„Fehlt nur noch die passende Farbe auf den Lippen“, sagte sie und kramte den obligatorischen roten Lippenstift aus ihrer Umhängetasche.
„Oh Grace, ich weiß nicht, findest du das nicht vielleicht ein bisschen übertrieben?“
Grace zog
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