0924 - Lockruf der Psychode
„Aber der Sturm läßt nach, und wir werden das Versteck der Psychode auch ohne ihn finden."
„Jetzt kann nur noch Schneeflocke helfen", sagte Pyon Arzachena. „Ja!" Margor griff diesen Gedanken augenblicklich auf. Er ging sofort daran, den Kristallroboter mit dem Ortungsgerät anzupeilen. Doch das Ortungsgerät schlug nicht in eine bestimmte Richtung aus, sondern der Anzeigestrahl rotierte mit gleichbleibender Geschwindigkeit über die Skala, so als befinde sich Schneeflocke überall.
Margor begann zu ahnen, was dies zu bedeuten hatte. „Es schneit", stellte Pyon Arzachena verblüfft fest. „Gibt es auf Zwottertracht überhaupt Niederschläge in Form von Schnee?"
Der goldene Staub hatte sich gelichtet, die Sicht wurde rasch besser, und Margor sah durch den sich lichtenden Goldschleier große Schneekristalle im Wind treiben. Da wußte er Bescheid. Seine Ahnungen wurden zur Gewißheit. Hotrenor-Taak sprach seine eigenen Gedanken aus, als er sagte: „Schneeflocke hat sich in die einzelnen Kristalle aufgelöst, und der Wind verweht ihn über den gesamten Talkessel."
Margor hob das Funksprechgerät und sprach hinein: „An alle. Dies ist ein Befehl erster Dringlichkeit. Folgt den Kristallen von Schneeflocke und markiert die Stellen, an denen sie niedergegangen sind. Es ist wichtig, daß kein Teil des Kristallroboters verlorengeht. Und ebenso wichtig ist es, daß ihr sie liegen laßt, wo sie niedergegangen sind."
Margor schaltete ab. Der Goldstaub hatte sich bereits so weit gelichtet, daß man den gesamten Talkessel überblicken konnte. Die Suche nach den elektronischen Schneekristallen würde deshalb nicht all zu schwierig sein. „Machst du dir nicht etwas vor, Boyt?" sagte Pyon Arzachena. „Ich glaube kaum, daß es dir gelingen wird, Schneeflocke wieder zusammenzusetzen. Das könnte nur ein Gys-Voolbeerah."
„Schneeflocke ist meine letzte Hoffnung", sagte Margor, ohne den Paratender über seine wahren Absichten aufzuklären.
*
Margor ließ sich von Gota zu der Felswand neben einem Höhleneingang führen. Dort stand, an den Fels geduckt, noch eine Mauer eines scheinbar uralten Gebäudes. An einer Stelle dieser Wand hatten sich viele der Kristalle Schneeflockes niedergeschlagen und bildeten eine fünfeckige Fläche von etwa zwei Quadratmetern.
Margor ließ die Umrisse der Fläche kennzeichnen und die Kristalle entfernen, dann trug er den Tempester-Tendern auf: „Tragt die Mauer an der gekennzeichneten Stelle ab. Aber vorsichtig!"
Da sich die drei Tempester nicht in ihrer aggressiven Phase befanden, traute er ihnen zu, daß sie seine Anweisungen genau befolgten.
Die Tempester begannen mit ihrer Arbeit und trugen mit bloßen Händen das schieferartige Gestein der Mauer ab. Schon nach wenigen Minuten entstand eine Öffnung von etwa vierzig Zentimetern, in der ein türkisfarbener Fleck schimmerte und fluoreszierte. Bei diesem Anblick erstarrten die Tempester zu ehrfurchtsvoller Bewegungslosigkeit. Der reliefartige Ausschnitt hatte sie sofort in seinen Bann geschlagen.
Auch die anderen schienen sofort die fremdartige Ausstrahlung zu spüren, denn Pyon Arzachena fragte mit ungewohnt verklärter Stimme: „Ist das ein Psychod?"
„Macht weiter!" befahl Margor den Tempestern. Erst nachdem die drei ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten, antwortete er dem Prospektor: „Ja, das ist eines der Psychode, die die Zwotter in diesem Talkessel versteckt haben. Schneeflocke empfing ihre Ausstrahlung. Aber da sie von allen Seiten kam, wurde er ganz konfus und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte. Er konnte den Verlockungen der parusischen Sendungen schließlich nicht mehr widerstehen und gab ihnen nach. Das bedeutete jedoch, daß er sich selbst aufgeben mußte.
Nicht die Kraft des Sturmes hat seinen Körper zur Auflösung gebracht, sondern die Ausstrahlung der Psychode hat den Zerfall in die Einzelkristalle bewirkt. Schneeflocke wurde davon wie von Magneten angezogen. Deshalb ist es sicher, daß wir überall dort Psychode finden werden, wo es Kristallkolonien von Schneeflocke gibt. Der Roboter hat uns den Weg gewiesen."
Als die Tempester nach einer Viertelstunde ihre Arbeit beendet hatten, war ein reliefartiges Gemälde von fünfeckiger Form zutage getreten. Es stellte kein erkennbares Motiv dar, sondern wirkte völlig abstrakt. Erst wenn man es etwas länger betrachtete, bekam es Tiefe, wurde plastischer, und man hatte das Gefühl, in das Bild hineinzufallen und in einem Meer von Farben und Formen zu
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