0925 - Geburt eines Dämons
Ich bin nicht deine Mutter«, keifte Madame Marie weiter. Sie beachtete den Schatten, der hinter Diane über die Wand huschte, nicht weiter. »Aber ich werde dich nicht dumm sterben lassen, Diane. Denn ich habe dich immer gehasst und du sollst wissen, an wem du gescheitert bist. Das ist mein zweitgrößter Triumph nach der Eroberung des Hexendiadems.«
»Und? Wer bist du?«
Ein gellendes Lachen fegte durch das Zimmer. »Eamonna, Schätzchen, ich bin Eamonna. Und ich habe deine Mutter geistig übernommen, um hier meine Fäden zu ziehen und alles zu Stygias Zufriedenheit zu regeln.«
Diane schüttelte den Kopf. »Blödsinn. Du kannst nicht Eamonna sein. Du hast die Fähigkeit der geistigen Übernahme nie beherrscht. So stark bist du nicht.«
»Dumm von dir, dass du mich noch immer unterschätzt, Schätzchen.«
Diane entspannte sich. Während sie sprach, rezitierte sie im Geist gleichzeitig magische Formeln. »Nein, du kannst mir nichts vormachen. Du bist jemand anderer. Und was soll das heißen, du regelst die Dinge zu Stygias Zufriedenheit?«
Wieder erklang das höhnische Lachen. »Ich handle in Stygias Auftrag. Sie will dich nicht als Hexenkönigin von Feurs. Sie will dich vielmehr tot sehen.«
Diane erschrak, ließ sich aber nicht aus der inneren Balance bringen.
»Und nun fahr zur Hölle, Diane. Stygia freut sich sicher schon auf deine Seele und lässt sie dort brutzeln, wo's am heißesten ist.« Madame Marie steppte blitzschnell zur Seite, schneller, als Diane es ihr zugetraut hätte. Sie bückte sich und hob das Fleischermesser auf. Hoch über den Kopf erhoben, stürzte sich die Schlossherrin auf ihre Tochter.
Diane brauchte einen quälend langen Moment, um sich klar darüber zu werden, dass nicht ihre Mutter auf sie losging, sondern Eamonna. Das verlangsamte ihre Reaktionsfähigkeit und hätte sie fast das Leben gekostet. Ihr Oberkörper zuckte zurück, als das Messer auf sie herab fuhr. Es zischte knapp an ihrem Gesicht vorbei. Sie spürte noch den Luftzug.
Diane schrie auf. Sie nützte den Schwung Eamonnas, stellte das Bein vor und ließ ihre Gegnerin darüber stolpern. Der Körper ihrer Mutter krachte auf den Boden. Bevor er sich drehen konnte, handelte Diane. Sie hatte nun all ihre Skrupel überwunden, zumal Naiberi in ihrem Geist immer stärker drängte.
Diane rezitierte die letzte Formel. Das Hexendiadem auf dem Kopf der Liegenden flammte in einem grellen Licht auf. Flammen schlugen aus dem Band und umhüllten den Kopf Madame Maries.
Die schrie gellend auf, drehte sich auf den Rücken, wollte mit beiden Händen das brennende Diadem abstreifen. Sie konnte es nicht einmal mehr berühren. In rasender Schnelligkeit fraßen sich die Flammen nach unten, breiteten sich über den Kopf aus und hüllten ihn komplett ein.
Zufrieden beobachtete Diane, wie der Kopf verkohlte, wie die Flammen das Fleisch fraßen. Zum Schluss blieb nichts als ein schwarz verkohlter Schädel auf dem verkrümmt daliegenden Körper mit dem unversehrten hellgrünen Kleid zurück. Die freiliegenden Zähne vermittelten den Eindruck, als würde ihre Mutter sie noch im Tod angrinsen.
Diane nahm das Hexendiadem von dem verkohlten Schädel. Sie beherrschte die Macht dieses unauffälligen Kleinods zumindest ausreichend. Fast zärtlich strich sie über das grüne, aus den Blättern des Großen Hexenkrauts geflochtene Band. Nur ein einziges Blatt mit unten bauchiger und oben spitz zulaufender Form, ungefähr handspannengroß, erhob sich an der Vorderseite. Das Hexendiadem von Feurs wirkte eher so, als hätten Kinder es für ihr Spiel geflochten. Nur wer ganz genau hinschaute, bemerkte, dass die Blattrippen aus feinen Silberfäden zu bestehen schienen.
Diane nickte, versetzte dem toten Körper ihrer Mutter noch einen verächtlichen Fußtritt und eilte dann in das Zimmer, in dem sie die Hexenmaske beziehungsweise Naiberi bereits sehnsüchtig erwartete. Einige Minuten später saß Diane in ihrem Alpha Spider und raste die Zufahrt hinunter. Ihr Magen war ein einziger Klumpen. Nicht, weil es ein Problem gewesen wäre, ungeschoren zu entkommen.
Das Problem war Stygia. Was, wenn die Ministerpräsidentin sie wirklich loswerden wollte? Konnte sie einer derart mächtigen Dämonin tatsächlich die Stirn bieten? Oder gab es einen Weg, sich mit der Höllenherrscherin zu arrangieren? Konnte ihr Naiberi vielleicht dabei helfen?
Diane raste an der nächtlichen Loire entlang.
Sie würde zuerst einmal in Paris Unterschlupf suchen.
***
Asmodis stand
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