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0927 - Nacht über GALAHAD

0927 - Nacht über GALAHAD

Titel: 0927 - Nacht über GALAHAD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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trüben Fenstern des Pubs brannte nach wie vor die Sonne vom strahlendblauen schottischen Himmel und trotz der frühen Abendstunde war es noch hochsommerlich warm, was eigentlich ungewöhnlich für diesen Landstrich war. Nicht zum ersten Mal wünschte sich Gryf zurück auf seine kleine Insel am anderen Ende des Erdfleckens, den sich England, Schottland und Wales miteinander teilten.
    Dort dürften die Temperaturen zumindest ein wenig verträglicher sein.
    Allerdings gab es dort auch keinen so schönen Anblick…
    Die schlanke Blonde saß noch immer zwei Hocker rechts von ihm. Sie hatte die Ellenbogen auf die Theke gestützt, die Handinnenseiten an die Kieferknochen, und studierte die Kladde vor sich, als wäre ihr Inhalt eine Sache von nationaler Bedeutung. Ihr Haar, das im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden war, bildete einen ansprechenden farblichen Kontrast zu ihrer hellblauen Bluse und der sommerlich leichten Hose, die sie trug.
    Gryf nahm noch einen Schluck. Die Kleine, er schätzte sie auf höchstens Mitte zwanzig, war ihm auf dem Marktplatz aufgefallen und ging ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Diese Sommersprossen! Dieser bezaubernd anmutende Körper, der an genau den richtigen Stellen ansprechende Rundungen aufzuweisen hatte! Wunderte es da, dass er ihr in das kleine Lokal gefolgt war? Schließlich war auch ein Silbermond-Druide im Grunde nur ein Mann - und als solches nicht immun gegen entsprechende Reize.
    Es wurde Zeit, dass Gryf ihnen nachgab.
    »Sieht ja spannend aus«, sagte er und ließ es wie beiläufig klingen.
    Die Schönheit blinzelte mit ihren hellblauen Engelsaugen und blickte auf. »Verzeihung, meinten Sie mich?«
    »Na, Ihre Lektüre da.« Er nickte auf die Kladde, die nahezu den gesamten Tresen vor ihr einnahm. »So gebannt, wie Sie da hineinstarren, würde ich vermuten, es handelt sich um ein neues Dan-Brown-Manuskript, das Sie vorab begutachten sollen.«
    Wie er erhofft hatte, lächelte sie. »Was? Nein, nein. Das ist nur Arbeit.«
    Nur Arbeit. Gute Einstellung, darauf ließ sich aufbauen. »Und wer bringt sich Arbeit mit ins Wirtshaus?«
    »Jemand, der nachher ein Vorstellungsgespräch hat«, antwortete sie. »Sarah Marshall, der Name.«
    »Gryf ap Llandrysgryf«, stellte er sich vor. »Und wenn Sie jetzt ›Gesundheit‹ sagen, werde ich es Ihnen verzeihen.«
    Diesmal lachte sie herzlich. »Au weia, was für ein Zungenbrecher. Passiert Ihnen wohl öfters, dass Leute Ihren Namen für das Resultat einer Erkältung halten, oder? Ist das Walisisch? Stammen Sie aus Wales?«
    »So in der Art«, antwortete er ausweichend. »Ich… bin auf der Durchreise.«
    Das kam sogar ungefähr hin. Gryf hatte seine Hütte auf Anglesey verlassen, um einen alten Freund zu besuchen, auf dem Rückweg aber beschlossen, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Anstatt mittels des zeitlosen Sprungs direkt nach Hause zu reisen, trieb er sich seitdem in den verschiedensten Gegenden des Vereinigten Königreiches herum und beobachtete Menschen. Meist die der weiblichen Variante. Er nahm sich die Zeit und hatte das Gefühl, sich ein wenig Entspannung verdient zu haben. Zwar sprach sein jugendliches Aussehen seinem wahren Alter von mehr als achttausend Jahren Hohn, doch… Wie sagte man so schön? Von nichts kommt nichts.
    »Und bei diesem Wetter trieb es mich in den Pub«, fuhr er fort, »wo ich das Vergnügen hatte, Ihre bezaubernde Bekanntschaft zu machen.« Normalerweise trug er nicht so dick auf, aber in ihrem Fall schienen die gestelzten Formulierungen Wirkung zu zeigen.
    »Dann können Sie sich ja gleich bedanken«, sagte sie schelmisch. »Für das Wetter bin ich nämlich zuständig.«
    Gryf stutzte. »Inwiefern? Sind Sie eine Göttin?«
    Okay, fand er eine Sekunde später, für diesen Spruch hatte er mehr als nur einen Korb verdient: Kopfnüsse, Hohn, ewiges Gelächter. Aber irgendetwas sagte ihm, dass die Blonde darauf stand.
    Sie hob die Brauen, wirkte überrumpelt. »Ähm, nicht wirklich«, sagte sie dann. »Meteorologin.«
    »Dann ist es vielleicht sogar Doktor Marshall?«
    »Hoffentlich bald.« Mit wenigen Worten beschrieb sie ihm ihren Werdegang: Junges Ding vom Lande, an der Universität zum akademischen Wunderkind aufgestiegen. Nun, mit dem Abschluss frisch in der Tasche, suchte sie nach Unternehmen, die ihr ermöglichten, das Berufsleben mit der angestrebten Promotion zu kombinieren. Und gleich hier in Invergordon hoffte sie, eine solche Stelle gefunden zu haben.
    »In einer halben Stunde habe ich

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