0928 - Der Fliegenmann
Petlery schloß niemand ab. Auch Jovanka hatte ihre Tür offengelassen. Drei Katzen hockten davor. Sie rührten sich nicht und warteten auf die Frau.
Nickend ging Jovanka auf sie zu. »Ja, meine Lieben, ja, ihr bekommt euer Fressen, keine Sorge.«
Sie gehörte zu den Frauen, die für ihre Katzen kochten. Aus den Küchenabfällen, in der Regel waren es Kartoffelschalen, mixte sie das Gericht und die Tiere hatten sich im Laufe der Zeit daran gewöhnt. Wenn sie Fleisch haben wollten, dann holten sie sich Mäuse oder fingen Insekten.
Bevor Jovanka das Haus betrat, streichelte sie ihre Lieblinge. Aus dem Stall hörte sie das Gackern der Hühner. Die Schweine meldeten ihren Hunger durch ein Grunzen an, aber Jovanka kannte das Spiel.
Immer der Reihe nach.
Das Katzenfutter bewahrte sie in einem kleinen Schrank auf, der mit einem Fliegengitter gesichert war. Er stand in der Ecke, wo es am kühlsten war.
Sie öffnete die Tür und holte die Schale hervor. Es würde noch für eine Mahlzeit reichen.
Mitten im Raum stürzten sich die drei Katzen auf das Fressen. Jovanka kümmerte sich um die Hühner. Sie ging an der alten Toilette vorbei, die sich in einem schmalen Anbau befand, öffnete die Tür an der Rückseite und erreichte den Hof, wo sich auch der Stall befand.
Er war in der Mitte geteilt worden. Rechts suhlten sich die Schweine im Dreck, links gackerten die Hühner.
Jovanka kümmerte sich erst um die Schweine. Auch sie bekamen alte, matschige Kartoffeln und Schalen dazu. Die Frau schaute sich die Tiere mit einem fachmännischen Blick an.
Noch drei, vier Wochen, dann waren sie schlachtreif. Ein netter Nachbar und alter Freund würde sie mit zur Schlachtbank nehmen.
Die Hühner flatterten hoch, als Jovanka ihr Reich betrat. Selbst von draußen kamen sie.
Das Futter bewahrte sie in einer alten Blechdose auf. Sie nahm den Deckel ab und verstreute die Körner. Gierig stürzten sich die Hühner über diese Nahrung.
Zehn hatte sie insgesamt. Sie legten gut, und wenn sie es nicht mehr taten, wurden auch sie geschlachtet.
Nachdem die Arbeit getan war, wusch sich Jovanka die Hände.
Nach oben ging sie nicht. Dort lagen die kleinen Schlafkammern.
Sie blieb unten, drehte das Wasser ab, das sehr kalt und klar war, da es aus dem noch nicht verseuchten Dorfbrunnen stammte – woanders sah es mit der Umwelt nicht so gut aus – trocknete sich die Hände an dem rauhen Tuch ab und dachte daran, ebenfalls etwas zu essen.
Es war noch hell draußen, auch warm, und so nahm sie das Brot und den Aufstrich mit. Es war eine Paste, die sie selbst hergestellt hatte. Aus püriertem Hühnerfleisch, Gewürzen und Fett. Sie schmeckte ihr sehr gut. Dazu trank sie Bier.
Eine Flasche am Abend gönnte sie sich immer. Und anschließend einen Schnaps, den ein Bekannter selbst braute. Was er alles hineintat, wußte sie nicht, jedenfalls schmeckte er ihr, und er tat auch ihrem Magen gut. Neben dem Haus stand eine alte Holzbank. Sie setzte sich hin, aß, trank hin und wieder einen Schluck aus der Flasche und schaute zur Straße hin, auf der nur selten Menschen vorbeikamen. Wer sie sah, winkte ihr zu, und Jovanka winkte zurück.
Eine Katze sprang auf die Bank, wurde aber von Jovanka weggescheucht, als sie an der Pastete lecken wollte. Zwei Brote reichten der alten Frau. Sie nahm einen kräftigen Schluck und füllte danach das kleine Glas mit dem Schnaps.
Immer wenn sie ihn trank, mußte sie an ihren verstorbenen Mann denken, der ihn auch so gern gemocht hatte. Seit fast zwanzig Jahren war er schon tot, gestorben an Krebs, wie so viele Menschen.
Jovanka hatte sich an das Alleinsein gewöhnt. Sie nahm das Leben wie es kam, und die letzten Jahre würde sie auch noch herumkriegen.
Natürlich dachte sie oft an den Tod und fragte sich, wie der Knochenmann sie wohl erwischen würde. Sie wollte nur nicht leiden wie ihr Mann, aber das konnte sich niemand aussuchen.
Ein plötzlicher Herzschlag, umfallen und tot sein, so wünschte sie sich ihr Ableben.
Etwas juckte auf ihrem rechten Handrücken, als wäre sie dort von einem Tier gestochen worden. Jovanka schaute hin, konnte aber nichts erkennen, denn einen Einstich sah sie nicht. Dennoch blieb das Jucken.
Warum nur?
Sie konzentrierte sich weiterhin auf ihre Hand, die sie jetzt auf das rechte Knie gelegt hatte. Ihre Haut war mit bräunlichen Altersflecken übersät, die Finger lang, aber etwas gekrümmt, deutliche Anzeichen von Gicht. Es waren die Hände einer Frau, die in ihrem Leben viel gearbeitet
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