0929 - Engelsblut
grenzte es an Bauland, auf dem irgendwann einmal neue Häuser entstehen würden.
Der Park war eine Oase der Stille. Es gab mehrere Wege, die sie nehmen konnte, und wenn sie schnell fuhr, hatte sie ihn in vier Minuten durchquert.
Aber sie beschleunigte nicht.
Sie radelte langsam weiter, und die Unruhe war in ihr gestiegen. Irgendwo lauerte etwas, und dieses Unbekannte und Böse erzeugte immer mehr Druck, so daß es ihr trotz der Hitze kalt den Nacken hinabrann.
Wo steckte es?
Marcia schaute nach rechts und nach links, wo sich die Bäume über dem dunklen, schattigen Buschwerk wie große Wächter abhoben. Auch dort rührte sich nichts. Kein Radfahrer oder Fußgänger begegnete ihr. Nun lockerte der Baumbestand auf, es wurde etwas heller.
Die Frau wußte, daß sich dort ein Platz befand, der als Parkplatz diente. Tagsüber war er voll, in der Nacht verirrten sich nur wenige Fahrer an diesen Ort. Und wenn, dann waren es zumeist Paare, die ihre Ruhe haben wollten. Bei diesem Wetter allerdings weniger. Da brauchten die Leute keine Autos, da konnten sie ihrer Lieblingsbeschäftigung auch im Freien nachgehen.
Aus einem plötzlichen Gefühl heraus kickte die Frau den Dynamo vom Reifen weg und fuhr ohne Licht weiter. Jetzt war sie ein Schatten unter Schatten, mit dem einen Unterschied, daß sie sich bewegte und ein Ziel ansteuerte.
Sie wollte den Park hinter sich bringen, auf dem freien Gelände noch eine Runde drehen und…
Ihre Gedanken brachen ab.
Etwas hatte sie erwischt.
Eine Botschaft, ein Gedanke - wie auch immer. Plötzlich wußte sie Bescheid. Sie hatte auch den bitteren Geschmack im Mund, der immer dann auftrat, wenn etwas Entscheidendes vor ihr lag. Sie war plötzlich froh, das Licht ausgeschaltet zu haben, und Marcia bremste leicht ab, wobei sie von dem noch rollenden Rad stieg.
Sie schob es noch ein paar Schritte und lehnte es gegen einen Baumstamm. Dabei vermied sie alle Geräusche, denn die hätten sie verraten können.
Aus sicherer Deckung schaute sie über den Platz hinweg. Noch sah alles normal aus. Links von ihr, ziemlich am Rand, parkte ein Auto. Ein Stück weiter sah Marcia einen zweiten Wagen, der in einem bestimmten Rhythmus schaukelte. Marcia lächelte bei dem Anblick. Sie wußte, was sich dort abspielte. Es war die natürlichste Sache der Welt, und es wäre ihr auch nicht in den Sinn gekommen, das Paar zu stören, wenn es nicht die Gestalt gegeben hätte, die sich aus einer Deckung am Zaun löste, um auf den Wagen zuzugehen. Sie schlich sich geduckt an und hielt auch etwas in den Händen, das Marcia nicht erkennen konnte.
Ein Spanner?
Die Frau wußte genau, daß es von dieser Sorte viele gab, und sie sah es auch nicht als besonders tragisch an. Aber in dieser Nacht und zu dieser Stunde war es doch nicht normal. Zudem hatte sie eine gewisse Warnung empfangen, und bisher war nichts eingetreten, was diese Warnung gerechtfertigt hätte.
Bis jetzt…
Nun sah sie den Mann genau, der das Ziel nicht aus den Augen ließ. Er war jung und ziemlich kräftig, hatte breite Schultern und wirkte entschlossen.
Marcia konnte einfach nicht mehr in ihrer Deckung bleiben. Plötzlich ahnte sie, daß sie keinen normalen Spanner beobachtete, sondern jemanden, der es auf das Paar abgesehen hatte - und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Marcia wußte nun, weshalb sie sich auf das Rad geschwungen hatte und hergefahren war. Das Schicksal hatte ihr einen Wink gegeben.
Marcia hielt nichts mehr. Sie dachte nicht daran, daß sie waffenlos war. Sie wollte nur eines tun: helfen und dieses junge Paar retten, das sie bisher noch nicht mal kennengelernt hatte.
Da schlug der Mann die Seitenscheibe ein!
Marcia Morana hörte den lauten Knall und Sekunden später das Knurren des Angreifers. Widerlich!
Er bewegte sich wie ein Besessener. Immer wieder stieß er den rechten Arm nach vorn, riß ihn wieder zurück, stieß ihn nach vorn, keuchte dabei und sprach auch. Aber Marcia konnte nicht verstehen, was er sagte, während sie auf ihn zurannte und dabei den Eindruck hatte, kaum von der Stelle zu kommen, so langsam bewegte sie sich.
Vor ihr spielte sich eine Szene ab, wie sie schauriger nicht sein konnte. Sie wehrte sich gegen den Anblick. Es wollte ihr einfach nicht in den Sinn, daß sie Zeugin eines Doppelmordes werden sollte, und in ihrem Kopf brandete immer wieder der Gedanke auf, daß sie unbedingt etwas dagegen unternehmen mußte.
Helfen - eingreifen, damit dieses Keuchen und die Schreie aufhörten - damit das
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