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093 - Der Geist im Totenbrunnen

093 - Der Geist im Totenbrunnen

Titel: 093 - Der Geist im Totenbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cedric Balmore
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aller Kraft, aber er brach weg, und sie stürzte tiefer und tiefer…
     

     
    Es klingelte.
    Das Geräusch drang wie durch einen dichten Nebel an ihr Ohr und erreichte ihr Bewußtsein mit schmerzhaft anmutender Verzögerung.
    Daphne fühlte, daß sie etwas in der Hand hielt. Ihr Nachthemd klebte schweißfeucht am Leibe, und ihr Herz hämmerte wie rasend gegen die Rippen.
    Dann war alles ganz deutlich, das Klingeln, das grausame Erlebnis, der Sturz in die Tiefe…
    Sie setzte sich abrupt im Bett auf. Sie schaffte es, mit der Linken nach der Nachttischlampe zu greifen und den Knipser zu betätigen, aber das aufflammende Licht brachte ihr keine Beruhigung.
    Sie öffnete ihre verkrampfte, rechte Hand. Ihre Augen weiteten sich. Der Steinbrocken!
    Mit einem Schlag war die Erinnerung an den fürchterlichen Traum wieder wach, mit allen Einzelheiten, doch der Stein schien widerlegen zu wollen, daß Daphnes Erlebnis auf Einbildung beruhte.
    Daphne schaute auf die Uhr. Zwei Minuten nach zwei. Das Klingeln an der Haustür wiederholte sich. Sofort war wieder das Entsetzen da. Zitternd stand sie auf, schlüpfte in ihren Hausmantel und zog die Sandalen an, die vor dem Bett standen. Sie verließ ihr Zimmer und betätigte jeden Schalter, den sie auf dem Weg in die Diele erreichen konnte.
    Nach dem soeben Erlebten war sie auf alles gefaßt. Sie öffnete die Tür.
    Vor ihr stand Harry, blaß, mit zerzaustem Haar.
    Sie fiel schluchzend in seine Arme.
    Er hielt sie umfangen, streichelte sie, aber irgendwie schien es, als suche er Schutz bei ihr.
    Daphne zog ihn in die Diele. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß etwas nicht stimmen konnte. Harry wäre sonst nicht um diese Stunde hier aufgetaucht; schließlich hatte er aus Sicherheitsgründen darauf bestanden, eine vorübergehende Trennung zu praktizieren.
    Sie gingen ins Wohnzimmer. „Du zitterst ja“, sagte Harry O’Neill. Daphne nickte. Sie zog ihn zu sich auf die Couch. Sie mußte seine Nähe spüren, sie brauchte den Schutz eines menschlichen Wesens. „Hat dich mein Klingeln so sehr erschreckt?“ fragte er.
     

     
    „Ich brauche einen Kognak“, sagte sie.
    „Ich auch“, meinte er, stand auf und füllte zwei Gläser bis zur Hälfte mit honigfarbigem Remy Martin. Er setzte sich zu Daphne, überließ ihr ein Glas und sagte: „Ich mußte einfach kommen, ich habe etwas Tolles erlebt…“
    „Du auch?“ fragte sie entsetzt.
    Er schaute sie an, stirnrunzelnd, und begriff, daß sich auf Marhill Place etwas mehr als Ungewöhnliches zugetragen haben mußte. Es schien ihn nicht zu überraschen. Ein Schatten legte sich über sein blasses Gesicht.
    „Was ist passiert?“ fragte er. „Erst du“, bat Daphne und trank. „Erzähle, bitte…“
    Er trank gleichfalls, dann lehnte er sich zurück. „Als ich dich verließ, ging mir der Besuch dieses Carrington im Kopf herum. Ich wußte, wie sehr dich seine Anwesenheit quälte, und ich wollte etwas dagegen tun. Um ehrlich zu sein, wollte ich ihn von hier weg ekeln.“
    „Was hast du getan?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Ich erinnerte mich an das, was du über seine Ähnlichkeit mit Carinius gesagt hattest und kam auf die Idee, das Bild zu stehlen. Mir war klar, daß man den Diebstahl Carrington in die Schuhe schieben würde.“
    „Du bist ganz schön durchtrieben“, sagte Daphne, aber es klang eher müde als bewundernd.
    „Cochran war wieder einmal betrunken, er schlief. Ich hatte keine Mühe, mich an ihm vorbeizustehlen. Ich schnitt das Gemälde mit dem Taschenmesser aus seinem Rahmen, rollte es zusammen und versteckte es im Museum hinter einem alten Schrank. Dann verließ ich das Gewölbe, ohne von Cochran oder einem anderen gesehen worden zu sein.“
    „Du hast wirklich Mut bewiesen!“
    „Heute abend aß ich im ‚OLE INN’. Ich wollte eigentlich nur hören, was dort gesprochen wurde, ich wollte erfahren, ob der Diebstahl bereits bemerkt und Carrington angehängt worden war…“
    „Und?“ fragte Daphne gespannt.
    Er schaute sie an. „Mein Plan hat funktioniert. Nachdem Cochran munter geworden war, fiel ihm auf, daß das Bild nicht mehr in seinem Rahmen hing. Er alarmierte Jameson, die beiden sahen sich den Schaden an und kamen zu dem Schluß, daß nur Carrington als Täter in Betracht käme. Schließlich hatte er sich für das Porträt interessiert, und außerdem bestand zwischen Darstellung und Betrachter eine offenbar verblüffende Ähnlichkeit…“
    „Jaja, das alles weiß ich“, sagte Daphne ungeduldig. „Wie

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