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093 - Der Geist im Totenbrunnen

093 - Der Geist im Totenbrunnen

Titel: 093 - Der Geist im Totenbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cedric Balmore
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meinen Sie?“
    „Ganz recht“, nickte Nottenham. Er sprach immer noch im Flüsterton und tat so, als dürften die anderen nicht hören, was er sagte, aber aus der Art, wie die Gäste herüberblickten, war leicht zu entnehmen, daß er sie längst eingeweiht hatte.
    „Was hat er denn gesucht, um Himmels willen?“ wollte Leroy wissen. Er war eher erstaunt als betroffen. Er wußte, daß er praktisch unverletzbar war, ein Phänomen, das sich vor keinem Gericht der Welt zu fürchten brauchte.
    „Ich weiß es nicht. Er wollte nicht mit der Sprache herausrücken.“
    „Hat er etwas mitgenommen?“
    „Nein.“
    „Erst möchte ich etwas essen“, sagte Chester ruhig. „Der Inspektor kann warten.“
    Er spürte, wie sehr die Gäste von seinen gelassenen Worten beeindruckt waren, bestellte sich ein Steak auf Toast, trank dazu einen roten, ziemlich minderwertigen Wein und machte sich anschließend auf den Weg zur Polizeistation, die nur wenige Häuser vom „OLE INN“ entfernt lag.
    Inspektor Jameson sah aus wie die Karikatur eines englischen Landpolizisten. Er hatte ein rundes, glattrasiertes Gesicht mit Halbglatze, Hängebacken und dicke, bläulich schimmernde Tränensäcke. Sein dreifach gewelltes Kinn zwang ihn dazu, den obersten Kragenknopf offenzuhalten. Er war zwischen 50 und 60 und bemühte sich, seine mangelnde Ausstrahlung durch einen barschen Ton wettzumachen. Er musterte Leroy, als habe er einen Kriminellen vor sich. „Nehmen Sie Platz!“ knurrte er.
    Leroy lächelte. „Wenn Sie nichts dagegen haben, ziehe ich es vor, zu stehen.“
    Jameson lehnte sich in seinem knarrenden Drehstuhl zurück. Im Hintergrund seiner Augen flackerte eine leichte Nervosität, ein Hauch von Verärgerung, aber er hatte sich rasch in der Gewalt und meinte schulterzuckend: „Wie Sie wollen. Ich wüßte gern, was Sie mit dem Bild angestellt haben.“
    „Mit welchem Bild?“ fragte Leroy, den an diesem Tag nichts mehr überraschen konnte.
    „Mit dem Gemälde von W. Carinius“, sagte Inspektor Jameson. „Es ist verschwunden!“
    Chesters Kinn klappte nach unten. Wider Erwarten zeigte er sich doch verblüfft. „Verschwunden?“ echote er.
    „Ja, aus dem Rahmen geschnitten. Mit einem Messer.“
    „Das ist sehr, sehr betrüblich“, sagte Leroy. „Und was hat das mit mir zu tun?“
    „Sie haben sich für das Bild interessiert“, sagte der Inspektor.
    „Stimmt. Der Portier meinte, zwischen diesem Carinius und mir eine Ähnlichkeit feststellen zu können.“
    „Hm“, machte Jameson grimmig und fuhr sich mit einem Finger zwischen Kragen und Hals. „Er ließ Sie allein mit dem Porträt. Als er vorhin durch das Museum bummelte, stellte er fest, daß das Bild fehlte.“
    „Pech, würde ich sagen“, meinte Leroy. „Aber ich habe es nicht, Inspektor. Ich bin doch sicherlich nicht der einzige, der heute Vormittag das Museum besuchte.“
    „Wären Sie bereit, mich dorthin zu begleiten, und würden Sie mir unterwegs bitte genau erklären, wie und wo Sie den Vormittag verbrachten?“ fragte der Inspektor und erhob sich. Als er um den Schreibtisch herumkam und zur Tür schritt, bemerkte Leroy, daß Jameson einen scharfen, unangenehmen Körpergeruch verbreitete.
    Der Beamte schloß die Station ab. „Ich höre“, sagte er.
    „Nach dem Frühstück war ich in der Drogerie, um eine Aufnahme von mir machen zu lassen“, berichtete Leroy, „danach bin ich zum Friedhof gegangen…“
    „Zum Friedhof? Zum Begräbnis?“ fiel ihm Jameson uns Wort. „Warum denn das?“
    „Ich weiß es nicht. Friedhöfe ziehen mich magisch an. Sie müssen wissen, daß ich mich für die Landesgeschichte interessiere. Grabsteine gehören dazu, sie sind steinerne Zeugen vergangener Zeiten.“
    „Okay, wie lange waren Sie auf dem Friedhof?“
    „Nur kurze Zeit. Ich war dann noch im Museum, und schließlich habe ich mich von einem Taxi nach Marhill Place bringen lassen.“
    „Was wollten Sie dort?“
    „Ich bitte Sie! Muß ich das noch erklären? Marhill Place ist das geschichtsträchtigste Gebäude der Umgebung. Ich wollte es mir ansehen, mußte jedoch umkehren, weil sich herausstellte, daß Mrs. Chester aus verständlichen Gründen nicht in der Lage war, mich zu empfangen.“
    Sie hatten das Museum erreicht. Jameson klopfte Cochran jovial auf die Schulter. Der Portier dienerte ergeben und musterte Leroy mit finsteren Blicken.
    Chester war amüsiert und neugierig zugleich. Allmählich wurde es wirklich schwer, die einzelnen Überraschungen in

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