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093 - Neun Leben

093 - Neun Leben

Titel: 093 - Neun Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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annehmen würde.
    Die Tür wurde aufgezogen und trug den Geruch des prallen Lebens in den Raum. Siimn beneidete die Feiernden. Ihr Leben war so einfach, ihre Sorgen so primitiv. Nichts, was sie taten, war von irgendeiner Konsequenz. Sie lebten, arbeiteten und starben ohne jede Bedeutung.
    »Woran denkt er?« Die Stimme an der Tür war schneidend.
    »Er denkt an die einfachen Leute, deren Leben keine Bedeutung hat, Herr.« Die zweite Stimme klang nervös. »Er beneidet sie.«
    »Er ist ein Idiot, aber wenigstens ein ungefährlicher. Warte draußen.«
    »Ja, Herr.«
    Die Tür wurde geschlossen.
    Siimn nahm einen Schluck heißen Wein. Die Erkältung, die er sich im letzten Winter geholt hatte, drückte immer noch gegen seine Lungen. Wein schien als einziges dagegen zu helfen.
    »Woher weißt du, dass ich deinen Lauscher nicht bestochen habe?«, fragte er, immer noch mit dem Rücken zu seinem Besucher sitzend. »In Wirklichkeit denke ich vielleicht darüber nach, deinen Kopf mit meinem Schwert abzuschlagen und meinem Stammesfürsten die ganze Stadt, nicht nur die Hälfte, zu bringen.«
    »Mein Lauscher weiß, was mit seiner Familie geschieht, wenn er mich jemals hintergeht.« Osgaard, Botschafter des Königs von Braandburg ging um den Tisch herum, bedeckte einen Stuhl mit seinem Mantel und setzte sich darauf. Er trug Handschuhe, und Siimn wusste, dass er nichts im Zimmer berühren würde.
    Dreck widerte Osgaard an. Das war einer der Gründe, aus denen Siimn stets Spelunken für ihre Treffen wählte. Er genoss es, wenn der arrogante Osgaard, der mit seinen scharf geschnittenen Gesichtszügen und den leuchtend blonden, schulterlangen Haaren von jeder Frau in Braandburg angehimmelt wurde, vor einer rußverschmierten Köchin zurückwich, als sei sie Orguudoo selbst.
    Es war ein Anblick, zu dem es leider nur selten kam.
    »Okee«, sagte er, um das Thema von Lauschern und ihren Schicksalen wegzubringen, »wir sind uns wohl beide einig, dass wir ein Problem haben.«
    Osgaard sah ihn aus seinen kalten grauen Augen an. »Wir haben das Problem beide heute gesehen. Natürlich sind wir uns darüber einig.«
    Siimn trank einen Schluck Wein, um den Hustenreiz zu unterdrücken, der sich in seiner Brust bildete. Wenn er dem Reiz einmal nachgab, konnte es geschehen, dass er bis zur Bewusstlosigkeit hustete. Er wollte Osgaard nicht den Triumph gönnen, ihn blau angelaufen und nach Atem ringend auf dem Boden liegen zu sehen.
    »Gut«, sagte er, als der Reiz verging. »Da wir beide Problemlöser sind, sollten wir doch wohl eine Möglichkeit finden, gemeinsam auch dieses zu lösen.«
    »Ja, das sollten wir.« Osgaards Blick war eindringlich. »Das Volk braucht eine starke weise Hand, keinen dahergelaufenen Möchtegernkönig, der sich auf den Thron mogelt.«
    »Eine starke und weise Hand wie den König von Braandburg?« Der Satz klang so ironisch, wie Siimn gehofft hatte. Jeder in den drei Städten wusste, dass der König senil war und sein Lager seit Monaten nicht mehr verlassen hatte. Da er seine Söhne und Töchter überlebt hatte, gab es niemanden in der Erbfolge, nur Osgaard, der mittlerweile unverhohlen auf den Thron schielte.
    Deshalb hasst er den neuen König von Beelinn so, dachte Siimn. Maddrax ist die Macht in die Hand gefallen, während er dafür intrigieren und morden muss.
    Osgaard ging nicht auf seine Bemerkung ein, sondern stand auf und klopfte seinen Mantel ab. »Ich habe mich unseres Problems bereits angenommen«, sagte er. »Ich erwarte, dass es noch vor Sonnenuntergang gelöst sein wird. Danach können wir über Könige und Häuptlinge -«
    »Stammesfürsten«, korrigierte Siimn die fast schon traditionelle Beleidigung. Er hätte sich denken können, dass Osgaard in seiner Wut einen Attentäter anheuern würde.
    »- diskutieren, wenn es dann noch nötig sein sollte.«
    Die Drohung war nicht mehr als eine Floskel. Beide wussten, dass die Städte riesige Verluste erleiden würde, wenn sie sich auf einen Krieg einließen. Braandburg war zwar größer, aber Pootsdams Krieger waren weitaus besser ausgerüstet. Niemand konnte sagen, wer den Sieg davontragen würde, und kein Herrscher war so dumm, eine Antwort auf diese Frage zu suchen.
    Osgaard hatte die Tür erreicht und zog sie auf. Er prallte vor dem Gestank zurück und schlug den Kragen seines Mantels hoch.
    »Und Osgaard«, sagte Siimn, »es war verdammt mutig von dir, die Königin zu entführen. Mein Kompliment.« Abwartend blickte er auf den Rücken seines langjährigen,

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