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093 - Neun Leben

093 - Neun Leben

Titel: 093 - Neun Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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löste sich aus seinem Griff. »Wer ist die Frau? Sie kommt mir bekannt vor.«
    »Briita? Sie gehört zur Leibgarde der Königin. Wenn jemand ernsthaft nach Königin Jenny sucht, dann sie.«
    »Der König«, hörte Aruula sie über die provozierenden Rufe der Menschen sagen, »bleibt nur auf dem Thron, bis die Krise vorüber ist. Dann -«
    »Na klar.« Ein junger Mann mit wirrem lockigen Haar zeigte aus der Menge heraus. »Dafür sorgt schon seine Hure.«
    Briita drehte sich um. Ihr Blick traf Aruulas, die darin zuerst Wiedererkennen, dann unerwartete Aggression sah. Sie hatten gekämpft bei ihrer ersten Begegnung, daran erinnerte sich Aruula jetzt. Vielleicht hatte Briita damals nicht gewonnen, vielleicht ging es um etwas ganz anderes.
    Sämtliche Köpfe, ob sie nun zu Menen oder Frawen, zu Soldaten oder Fischern gehörten, wandten sich zu ihr.
    »Du hast Recht«, sagte Aruula leise. »Wir sollten verschwinden.«
    Es kam keine Antwort. Nichts war von Poll zu hören außer dem Hämmern genagelter Sohlen, die sich rasch entfernten. Er hatte seinen eigenen Rat angenommen und sich bereits abgesetzt.
    Aruula wagte es kaum, den Blick von den Menschen zu nehmen. Die meisten schienen nicht zu wissen, wer sie war, forderten verwirrt nach Erklärungen.
    »Wegen ihr hat Maddrax die Königin verlassen«, flüsterten die, die es besser wussten. Andere stimmten zu. »Sie ist seine Hure. Sie hat ihn verhext.«
    »Seht sie euch doch an. Eine Königin gegen so etwas. Sie ist doch schlimmer als eine Frawe.«
    »Ohne sie wäre der König bei uns geblieben. Mann und Frau gemeinsam auf dem Thron, so wie die Götter es fordern.«
    Ein Stein flog aus der Menge heraus und zerplatzte neben Aruulas Gesicht an der Mauer. Feine Splitter kratzten über ihre Haut.
    Einer der Soldaten schlug nach dem Werfer, aber Briita hielt ihn mit einer Geste zurück.
    »Der Zorn des Volkes ist gerecht. Es steht uns nicht zu, diese Menschen von ihren Taten abzuhalten. Wir ziehen uns zurück.«
    Die Soldaten nahmen Haltung an. Einige wirkten überrascht, andere zufrieden. Wie ein Mann drehten sie sich um und marschierten auf eine Gasse zu. Aruula duckte sich, als einer nach ihr spuckte.
    Ein zweiter Stein flog und landete vor ihren Füßen. Die Menschen waren aufgeputscht, schienen nicht mehr daran zu denken, was sie eben noch gefordert hatten. Der Hafen, das Geld und die Fracht waren vergessen, es zählte nur noch die Wut. Briita war es tatsächlich gelungen, einen drohenden Aufstand in einen Lynchmob zu verwandeln.
    »Ohne dich wäre der König damals bei uns geblieben.« Der ältere Mann mit der Kappe zog einen Dolch. »Wir werden dafür sorgen, dass er jetzt bei uns bleibt.«
    Die Menge johlte.
    Aruula wich zurück.
    ***
    Die Menschen neigten dazu, sie zu unterschätzen. Miouu war sich nicht sicher, ob das an ihrem Alter, ihrem Aussehen oder ihrem Auftreten lag. Die Menschen trauten ihr die Aufgaben nicht zu, die sie zu bewältigen gelernt hatte, und mehr als einmal waren ihre Auftraggeber in Gefahr geraten, weil sie nicht taten, was sie ihnen riet.
    Auch Maddrax würde deswegen in Gefahr geraten. Das hatte sie bereits bemerkt, als er nach ihren Schultern griff, um sie hochzuziehen, als sie demütig vor dem Thron niedergekniet war. Sein Blick hatte irritiert gewirkt, aber auch amüsiert und überrascht. Er behandelte sie mit der freundlichen Geduld, die Erwachsene gegenüber Kindern zeigen, und sie war sich sicher, dass er bei einem Angriff nur das tun würde, was er für richtig hielt, nicht das, was sie ihm riet.
    Er war daran gewöhnt, auf sich selbst zu achten, das verrieten seine Bewegungen und die Art, mit der er die Menschen um ihn herum betrachtete.
    Er war jedoch nicht daran gewöhnt, auf eine ganze Stadt zu achten, auch das war deutlich. Miouu wusste, dass sein Leben unter allen Umständen geschützt werden musste; er würde seines gefährden, um ein anderes zu retten. Es gehörte zu ihren Aufgaben, das zu verhindern.
    Während der stundenlangen Audienz stand Miouu reglos neben dem Thron, bewegte sich nur, wenn Maddrax aufstand, um die gemalte Grenzkarte eines Bittstellers zu betrachten oder die Hand eines Händlers zu schütteln, mit dem er sich geeinigt hatte. Seine Berater hatten ihm erklärt, er müsse seine Untertanen nicht berühren, aber das schien ihn nicht zu stören.
    Er erinnerte Miouu an Jenny, hatte den gleichen Akzent und zeigte das gleiche Verhalten. Er behandelte die Bittsteller, Angeklagten, Händler und Streitenden wie Menschen,

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