0932 - Das 14. Siegel
Unheil, das die früheren Erbfolger angerichtet hätten. So Merlins Worte. Also war die Erbfolge böse gewesen.
Aber Lucifuge Rofocale hatte auch gesagt, dass sie vor 20.000 Jahren die Seiten gewechselt hatte! Es war lächerlich zu glauben, dass Rhett ausgerechnet jetzt, nach so langer Zeit, wieder dem Bösen verfiel. Ohne erkennbaren Grund. Einfach so.
»Rette den Erbfolger , rette die Welt. Was für ein Quatsch!«
Zamorra musste an Krychnak denken. Der Dämon hatte offenkundig Pläne, die mit der Erbfolge zusammenhingen. Vermutlich war das Buch deshalb aus dem Zeitstrudel gepurzelt. Aber selbst er konnte Rhett nicht auf die dunkle Seite ziehen. Wie hätte er das tun sollen? Das war völlig unmöglich.
Oder?
Er seufzte und ging zu Rhetts Zimmer. Es war schon weit nach Mitternacht. Sicherlich lag der Junge längst in der Koje. Zamorra klopfte zaghaft an und öffnete leise die Tür.
Rhett war nicht da. Zwar brannte das Licht, aber das Bett war unberührt.
Dann saß er sicher noch mit Dylan an Ankas Krankenlager.
Also ging der Dämonenjäger weiter zum Zimmer der Siebzehnjährigen. Er öffnete die Tür - und sah eine erwachte Anka Crentz im Bett und die Peters-Zwillinge auf den Stühlen davor sitzen.
»Ihr?«, fragte er.
Die Zwillinge drehten sich um und lächelten Zamorra an. Ihre Gesichter wirkten grau und eingefallen. Sie sahen aus, als hätten sie seit Tagen nicht geschlafen.
Dann fiel sein Blick auf Anka. »Du bist wach?« Na super! Sein Vorrat an intelligenten Fragen war offenbar noch immer nicht erschöpft.
In kurzen Worten erzählten die Peters-Zwillinge, was sie ins Château geführt hatte und was sie aus Ankas Erinnerungen wussten.
»Uschi und Monica haben sie geweckt!« Trotz der augenscheinlichen Müdigkeit strahlte Dylan über das ganze Gesicht. Er schien von den Zwillingen sehr angetan zu sein. Nur allzu verständlich, schließlich waren sie ein wahrer Augenschmaus. Und das sogar im Doppelpack!
Eine der Schwestern schüttelte den Kopf. Uschi, wie Zamorra vermutete. Sicher war er sich aber nicht, da er sie wie immer nicht auseinanderhalten konnte. Das gelang nur Nicole und die… Zamorra verscheuchte den aufkeimenden Gedanken und hörte zu, was Uschi zu sagen hatte. »Ich glaube nicht, dass wir sie geweckt haben. Die Zeit war einfach reif, um aufzuwachen. Gott sei Dank, denn nun ist der Schmerzensschrei verstummt!«
»Nein, nein. Ihr habt sie aufgeweckt!«, sagte Dylan. »Vielleicht nicht aktiv, aber das Stöbern in ihrer Vergangenheit hat sie so aufgeschreckt, dass sie zurückkommen musste, um euch von weiteren Verletzungen ihrer Privatsphäre abzuhalten.«
»Ach, so siehst du das also!«
Dylans Grinsen geriet etwas in Schieflage. »Nein, natürlich nicht. Ihr habt ja nur versucht, ihr zu helfen.«
Nun ließ sich auch endlich Anka vernehmen. Leise zwar und mit leichtem Zungenschlag, aber zum ersten Mal seit Monaten erklang ihre Stimme im Château. Zamorra beschloss, das als Aufbruch in bessere Zeiten anzusehen. »Hallo?«, sagte sie. »Könnt ihr vielleicht mal für einen Augenblick so tun, als wäre ich im gleichen Raum wie ihr?«
»O Kacke! Tut mir leid, Anka. Schön, dass du wieder hier bist.«
Anka setzte sich so hin, dass ihre Beine aus dem Bett baumelten. Dann lächelte sie die Peters-Zwillinge an. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, den Zamorra nur schwer deuten konnte. Dankbarkeit? »Entschuldigt, dass ich euch vorhin so angefahren habe. Ihr habt mir geholfen und ich schnauze euch an. Nicht gerade ein angemessener Dank. Ich glaube, Dylan hat recht. Ich habe es wirklich euch zu verdanken, dass ich jetzt schon aufgewacht bin. Früher oder später wäre das sowieso passiert, aber ihr habt es zumindest beschleunigt. Danke.«
Die Peters-Zwillinge lächelten zurück. »Kein Problem. Wir würden ja sagen: Jederzeit wieder. Aber es wäre schön, wenn es kein nächstes Mal mehr geben müsste.«
»Kennst du Uschi und Monica schon?«, fragte Dylan.
Anka lachte auf und winkte ab. »Natürlich kenne ich sie! Sie haben mich durch die letzten zweitausend Jahre meiner Erinnerung begleitet!« Sie wandte sich den Zwillingen zu. »Schön, euch in Fleisch und Blut zu sehen.«
»Warum hast du uns denn bisher nichts von deiner Vergangenheit erzählt?«, fragte Zamorra.
Das Lächeln der über zweitausend Jahre alten Siebzehnjährigen gefror und wich einer nachdenklichen Miene. »Ich hatte Angst. Es ist schrecklich zu wissen, dass man eine Mörderin in sich trägt, die man nicht aufhalten kann.
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