0932 - Das 14. Siegel
Persönlichkeitsstörung? Egal! Das Einzige, was zählte, waren die Folgen: Anne tötete Menschen! Aus reinem Vergnügen und um ihre Wut auf die Welt auszuleben!
Uschi und Monica fühlten Ankas Entsetzen über ihre Taten. Auch wenn sie selbst keinen Mord begangen hatte - Anne war ein Teil von ihr, also war sie auch verantwortlich! Und die Telepathinnen spürten Ankas Entschlossenheit, es nicht mehr zur Teilung in Anne und Kathryne kommen zu lassen. Solange sie Anne in sich weggesperrt hatte, war die Menschheit vor ihr sicher! Doch…
... das Verlangen wurde immer stärker. Anka spürte das Kribbeln und Stechen in den Fingerspitzen. Monatelang hatte sie Anne in sich behalten können, doch die Mörderin drängte mit ständig wachsender Kraft in die Freiheit. Anka würde sich nicht mehr lange widersetzen können. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wie sie Anne an ihrem schrecklichen Tun hindern sollte, wenn sich die dunkle Schwester aus ihrem Gefängnis befreit hatte. Aber sie musste etwas tun! Schließlich waren es Menschenleben, die auf dem Spiel ...
(… Nebel wallte, Zeit verging…)
... stand auf dem Eiffelturm, diesem fürchterlichen Giganten aus Stahl, der seit zwei oder drei Jahren das Stadtbild verschandelte. Tränen der Verzweiflung rannen über Ankas Wangen, als sie auf die Seine hinabsah. All die Morde, die Anne - und dadurch sie selbst! - begangen hatte, rasten ihr durch den Sinn!
Inzwischen hatte sie gelernt, dass sie das bösartige Mädchen, das sie in sich trug, nicht aufhalten konnte. Sie konnte nur versuchen, es so lange wie möglichen ihrem gemeinsamen Körper zu binden. Doch wenn Anne ausbrach, gab es nur eines, das die zurückbleibende Kathryne tun konnte: abwarten, bis Anne zurückkam.
Anka war eine Gefahr für die Menschheit, aber sie konnte nichts dagegen unternehmen. Also hatte sie sich damit arrangiert, so gut es ging. Um all das Schlechte, was Anne tat, wenigstens teilweise auszugleichen, versuchte sie Gutes zu tun. In den Phasen, in denen sie Anka war, rettete sie Menschen aus brennenden Häusern, jagte Werwölfe und Vampire, holte ertrinkende Kinder aus den eiskalten Fluten eines Flusses. Selten kam sie dabei ohne Blessuren davon. Je schlimmer ihre Verletzungen waren, desto schlimmer waren auch die Schmerzen der Heilung. Doch Anka ertrug diese Qualen schweigend und sah sie als Buße für all die bösen Taten an, die ihre eine Hälfte begangen hatte.
Und dennoch konnte und wollte sie so nicht mehr weiterleben. Aber welche Wahl blieb ihr? Wie oft hatte sie schon versucht, Selbstmord zu begehen? Manchmal war es ihr sogar gelungen, doch immer hatte Krychnaks Magie sie ins Leben zurückgeholt. Stets war es ein äußerst schmerzhafter Rückweg gewesen.
Nun stand sie viele Meter über dem Boden von Paris und überlegte, ob sie einen weiteren Versuch unternehmen sollte. Aber ihr war klar, dass der Aufschlag nichts bringen würde als weitere…
(… Nebel wallte, Zeit verging…)
... Schmerzen. Das Handtuch schnürte tief in Annes Hals und verhinderte, dass sie Luft holte. Sie versuchte nach Dylan McMour zu schlagen, doch sie lag mit dem Rücken auf ihm, sodass sämtliche Wucht verpuffte!
Warum hatte Anka, die moralische alte Kuh, diesen McMour auch unbedingt von seinem Vampirbiss retten und nach Hause schaffen müssen? Und warum hatte der Typ auch ausgerechnet jetzt aufwachen müssen, wo sie sich das Blut ihrer letzten Tour vom Körper wusch?
Sie fühlte, wie ihre Kraft nachließ und die Glieder erlahmten. Das Leben strömte aus ihr heraus wie das Wasser aus einem lecken Eimer. Machte nichts! War schließlich nicht das erste Mal, dass sie starb. Und sie wusste, dass die Rückkehr ins Leben mit weniger Schmerzen verbunden war, wenn nur einer der Körper…
(… Nebel wallte…)
... starb. Anne starrte auf die Leiche des blonden Mannes und lächelte kalt. Wie hatte Anka sich nur in so einen Weichling verlieben können?
Ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass Kathryne noch immer bewusstlos neben dem umgekippten Nierentischchen lag. Oh, wie dämlich hatte der Blonde aus der Wäsche geschaut, als seine Anka sich plötzlich in zwei Körper teilte und sich eine der Hälften auch noch auf ihn stürzte. Da hatte auch die andere Hälfte nichts mehr dagegen tun können, außer nach einem harten Schlag auf die Schläfe ins Land der Träume abzutauchen.
Anne tat, was getan werden musste! Davon konnte auch Kathryne sie nicht…
(… Nebel wallte…)
... abhalten! Kathryne durfte
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