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0932 - Das 14. Siegel

0932 - Das 14. Siegel

Titel: 0932 - Das 14. Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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gewaltige Felslawine in ihrem Hirn. »Nein. Keine Zeit. Weiter! Jetzt!«
    »Wie ihr meint. Ihr seid die Telepathen.« Dylan wollte ihnen ein 100-Watt-Lächeln schenken, das jedoch bereits bei 20 Watt durchbrannte. Er setzte sich auf den Stuhl.
    Noch einmal tauschten die Schwestern einen letzten Blick. Er dauerte nicht lange und doch verstanden sie sich auch wortlos. Sollen wir es wirklich tun? Halten wir den Ansturm der Schmerzen noch einmal aus? Ja! Es muss sein! Mach dich bereit!
    Sie schlossen die Augen und…
     
    ... eine flammende Lohe erfasste sie. Ein Feuersturm, wie er gewaltiger nicht sein konnte. Er schleuderte sie durch die Zeiten, durch Ankas Erinnerungen, doch die waren nicht mehr als eine Ansammlung einzelner, unzusammenhängender Bilder und Gefühle. Der allgegenwärtige Schmerz hatte sich über sie gelegt wie ein undurchdringlicher Nebel, der nur gelegentlich einmal aufriss.
     
    Anka blickte sich gehetzt um. Sie hatte Krychnak seit langer Zeit nicht mehr gesehen und dennoch fürchtete sie, er könne plötzlich hinter ihr auftauchen.
    Noch immer zeigte ihr Körper Spuren der Verbrennungen. Nach über zehn Jahren! Noch immer fühlte es sich an, als löse man ihr die Haut bei lebendigem Leib ab.
    Ihre Flucht hatte sie inzwischen bis nach Rom geführt. Sie hatte gehofft, mit mehr Abstand größere Sicherheit zu finden, aber das war ein Trugschluss gewesen. Ihre Angst vor der Entdeckung hatte sich in einen regelrechten Verfolgungswahn gesteigert.
    Sie huschte in eine schmale Seitenstraße und sank an der Steinmauer eines Hauses zu Boden. Eine Schmerzwelle raste durch ihren Körper, die selbst das plötzlich einsetzende Kribbeln ihrer Glieder überlagerte.
    Die Trennung setzte ein!
    »Ich hasse den Erbfolger !«, sagte Anne nur wenige Sekunden später. »Hättest du nicht versucht, ihn zu retten, müsste ich nun nicht leiden!«
    Kathryne sagte nichts. Was hätte sie…
    (… Nebel wallte, trieb sie durch Erinnerungen, durch die Zeit, riss wieder auf…)
    ... darum gegeben, länger als ein paar Jahre am gleichen Ort bleiben zu können. Aber immer musste sie weiterziehen, bevor jemand merkte, dass sie nicht alterte, dass sie immer das gleiche siebzehnjährige Mädchen blieb.
    Ein Umstand, den sie vor allem deshalb bedauerte, nein: verfluchte! , weil vor fünfzig oder sechzig Jahren ihr Verfolgungswahn aufgehört hatte. War er womöglich gar nicht aus ihr selbst gekommen? Hatte sie stattdessen Krychnaks Bemühungen gespürt, sie zu finden? Gleichgültig! Wichtig war nur, dass es aufgehört hatte. Entweder hatte der Dämon die Suche nach ihr aufgegeben oder - Anka wagte kaum, den Gedanken auszuformulieren - er lebte nicht mehr. Ihre Flucht hatte ein Ende gefunden! Sie hätte sesshaft werden können, hier in Mogontiacum oder wo auch immer, doch Krychnaks Erbe verhinderte das.
    Wenigstens waren die Schmerzen der Heilung endlich verschwunden. Andere Wunden hätten ihr sicherlich nicht so große Probleme bereitet, aber schließlich war es Dämonenfeuer gewesen, das sie verbrannt hatte.
    Anka lebte ihr Leben im ständigen Schwanken zwischen dem Drang, sich in Anne und Kathryne zu teilen, und dem anschließenden Drang, sich wieder zu vereinen. Diese Entwicklung machte ihr Angst, denn Anne schien sich zu verändern. Ihr Hass auf den Erbfolger nahm immer mehr überhand. Aber nicht nur das, sie wurde auch zunehmend gereizt und streitlustig. Wohin würde das nur…
    (… Nebel wallte, spülte sie weiter, Zeit verging, wie viel eigentlich?)
    »… führen?«, fragte Kathryne.
    Anne schaute auf ihre blutigen Hände. Ihr grünes Seidenkleid war besudelt. »Wie meinst du das?«
    »Wie ich das meine?« Kathryne starrte auf den aufgefetzten Kadaver des kleinen Hundes. »Was hat er dir denn getan, dass du ihn gleich umbringen musst?«
    Ein schmales Lächeln schlich sich in Annes Gesicht. »Er hat mich angekläfft. Das ist doch Grund genug!«
    »Das muss aufhören!«
    »Warum? Oder denkst du, irgendwer hier in Paris wird dieses Vieh vermissen?«
    »Darum geht es nicht! Heute war es nur ein Hund! Ich habe Angst davor, dass es irgendwann einmal ein Mensch sein wird!«
    »Na und? Solange es der Erbfolger ist, soll es mir recht sein!«
     
    Der Nebel schloss sich. Die Bilder erloschen, aber die Gefühle blieben. Die Peters-Zwillinge spürten Ankas Verzweiflung, als sie sich die Wahrheit eingestand: Anne war im Laufe der Jahrhunderte ein bösartiges Biest geworden! Eine Auswirkung von Krychnaks schwarzer Magie? Eine »normale«

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