0932 - Das 14. Siegel
Seitenblick riskierte. Außerdem hätte das nicht zu seiner steifen, britischen Art gepasst. Er trug einen Eimer und war vermutlich auf dem Weg zum Pool, um die Reste des Cocktails und des Glases wegzuräumen.
Uschi schnappte sich in der Halle den Telefonhörer, stellte auf Raumlautsprecher und drückte die Kurzwahltaste fürs Château Montagne. Obwohl in Frankreich bereits die Nacht hereingebrochen sein dürfte, klingelte es nur einmal, bis jemand am anderen Ende der Leitung abhob. Es war William, Professor Zamorras Butler. Streng genommen war er der Butler von Lady Patricia und deren Sohn Rhett, die als Dauergäste im Château residierten, aber so eng sah das niemand. Am allerwenigsten William, der Scarth weder in seiner Steifheit noch in seinem Arbeitseifer nachstand.
»Tut mir leid«, sagte er. »Aber der Herr Professor hat sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und wünscht, nicht gestört zu werden. Worum geht es denn, wenn ich fragen darf?«
Mit knappen Worten erzählte Uschi von dem geistigen Ruf, den sie empfangen hatten. »Ist alles in Ordnung bei Ihnen?« Im nächsten Augenblick hätte sie sich für diese Frage ohrfeigen mögen. Natürlich wussten Monica und sie durch ihre Telefonate nicht nur von Nicoles Auszug, sondern auch, dass Fooly seit fast einem Jahr im Koma lag. In einem ähnlichen Zustand, wenn auch noch nicht so lange, befand sich Anka Crentz, ein junges Mädchen, das sie bisher noch nicht persönlich kennengelernt hatten. Anka war ebenfalls Gast auf dem Schloss. Oder sollte man besser sagen: Patient? Es war also keineswegs alles in Ordnung.
»Wenn Sie sich damit danach erkundigen wollen, ob in den letzten Minuten etwas Außergewöhnliches geschehen ist, so muss ich Sie enttäuschen. Der Professor ist wohlauf. Ich habe ihm erst vor wenigen Minuten eine Tasse Kaffee bringen dürfen.«
Als Uschi auflegte, sah sie Monica an. »Hätte ich darauf bestehen sollen, mit Zamorra zu sprechen?«
»Nein. Das hätte ich auch nicht getan. Wenn der Schrei wirklich nicht von ihm kam, hätten wir uns nur unnötig aufgedrängt. Außerdem, wenn William sagt, dass er erst bei ihm war, wird schon alles in Ordnung sein.«
»Ich habe trotzdem ein blödes Gefühl.«
»Na, frag mich mal!«
»Soll ich doch noch einmal anrufen?«
»Nein. Damit fallen wir William nur zur Last. Und wenn wir ihn nicht dazu ermuntern wollen, eine Anweisung seines Chefs zu missachten, wird er uns auch nichts anderes sagen als gerade eben.«
Sie sahen sich für einige Sekunden wortlos an. Dann, als hätten sie eine unhörbare Einigung erzielt, nickten sie gleichzeitig. Monica sprach aus, was beide dachten: »Wir besuchen ihn und vergewissern uns, dass es Zamorra gut geht. Wenn der Schrei wirklich nicht von ihm stammt, sind wir wieder weg, ohne dass der Herr Professor uns bemerkt.«
Über die Regenbogenblumen waren Tendyke's Home in Florida, USA und das Château Montagne an der Loire, Frankreich tatsächlich nur einen Katzensprung voneinander entfernt.
»Aber vorher sollten wir uns etwas anziehen. Schließlich ist Rhett in einem Alter, in dem die Hormone wallen.«
***
Der Kaffee, den William ihm gebracht hatte, roch stark und aromatisch. So, wie Professor Zamorra das schwarze Gebräu liebte: auf texanische Art - das Hufeisen schwamm oben. Der Dämonenjäger hatte sämtliche Computer und Bildschirme eingeschaltet und recherchierte. Er war auf der Suche nach Hinweisen auf die Angst , die als düstere Bedrohung am Horizont lauerte. Oder vielleicht fand er ein Mittel, um Ted Ewigk zu helfen, seine geistige Reife schneller zurückzuerlangen. Derzeit war er auf dem Stand eines pubertierenden Vierzehnjährigen und hatte sich nach Zamorras Einschätzung schwer in Lakir von Parom verliebt.
Zugleich wusste er aber, dass er in Wirklichkeit etwas anderes suchte: Ablenkung! Seine Recherche besaß nur den Zweck, die Zeit totzuschlagen. Zeit, in der er sonst an Nicole gedacht hätte.
Ein glühender Stich durchzuckte sein Herz, als sie ihm in den Sinn kam. Im gleichen Moment ärgerte er sich über sich selbst. Sollte er nicht langsam darüber hinweg sein, dass sie ihn verlassen hatte? Warum tat der Gedanke daran immer noch so weh?
Das Problem war: Er wollte gar nicht darüber hinwegkommen. Da er inständig hoffte, dass ihr merkwürdiges Verhalten, das zur Trennung geführt hatte, mit den Fehlfunktionen seines Amuletts zusammenhing, weigerte er sich innerlich, Nicoles Auszug als endgültig anzusehen. Wenn Asmodis, dem er Merlins Stern zu
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