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0932 - Grausame Zeit

0932 - Grausame Zeit

Titel: 0932 - Grausame Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gekommen. Damals war sie stolz auf die Kinder gewesen, heute empfand sie die Nachkommen als störend und fing sogar an, die beiden zu hassen.
    Ihr Schicksal hatte auf die beiden abgefärbt. Die Zeiten, wo sie gute Noten nach Hause gebracht hatten, waren vorbei. Beide waren abgesackt, aber das war ihr letztendlich egal. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun. Sollten sich die Kinder zum Teufel scheren!
    Die Gedanken erwischten sie nicht immer so stark. Nur wenn sie sich in einem Zustand der Depression befand, da sah sie jeden in ihrer Umgebung als Störenfried und Feind an.
    Selbst die eigenen Kinder!
    Es war schon eine grausame Zeit, die Helga Stolze durchlebte, und sie hatte manchmal den Eindruck, an einem Tag ein Jahr älter zu werden.
    Dabei war sie erst vierunddreißig. Ein tolles Alter, wo den meisten die Welt noch offenstand, nur ihr nicht.
    Sie kam aus dem Schlafzimmer, die Flasche mit dem scharfen Weinbrand in der rechten Hand. Sie schwang sie bei jedem Schritt wie eine Trophäe und verzog das Gesicht, als sie in die Nähe des Wandspiegels geriet, der zwei von oben nach unten verlaufende Risse zeigte. Zweimal hatte sie die Fläche vor Wut mit einem Messer traktiert, weil er ihr eine Frau zeigte, die sie nicht akzeptieren konnte.
    Schlimm, sehr schlimm… Sie hustete und blieb diesmal vor dem Spiegel stehen. Was sah sie? Fettige Haare, die in graublonden Strähnen ein schmales und zerfurchtes Gesicht umgeben, dessen Haut gelb und fleckig aussah. Dazwischen fielen die Lippen kaum auf, denn ihr natürliches Rot war ebenfalls verblaßt, und die schienen in den Hautfalten zu versinken. Die Augen sahen stumpf aus, sie hatten den klaren Blick längst verloren und paßten eher zu einer Greisin, die auf den Tod wartete.
    Es war kein Leben mehr, das sie führte. Es war alles so verdammt beschissen. Sie war aus dem Bett gestiegen und hatte sich nicht normal angezogen, sondern den fleckigen Kittel über das Nachthemd gestreift, den sie auch jetzt noch trug. Sie hatte ihn nur nachlässig zugeknöpft, und der Ausschnitt ließ die Hälfte ihrer Brüste sehen, auf die sie einmal so stolz gewesen war.
    Das war vorbei…
    »Scheiße!« sagte sie und drehte sich vom Spiegel weg, denn sie konnte ihren eigenen Anblick nicht mehr ertragen. Der Magen war leer, sie mußte etwas essen, doch zugleich spürte sie wieder das Zittern. Sie war jemand, der die Nahrung auch flüssig zu sich nehmen konnte - in Form von Weinbrand.
    Sie ging in die Küche, in der sie auch schlief. Im Wohnraum standen zwei Liegen, dort fanden die Kinder ihre Betten, aber Helgas Reich war eben die Küche mit den einstmals schönen Holzmöbeln, die ihr ehemaliger Mann noch geschreinert hatte.
    Helles Morgenlicht flutete durch das Fenster und erwischte Helgas Gesicht, was der überhaupt nicht paßte, denn sie liebte das Dämmer und die Dunkelheit.
    Rasch zog sie das Rollo herunter, filterte somit das Licht und ließ sich schwer auf den Küchenstuhl fallen.
    Die Flasche stellte sie vor sich auf den Tisch. In der Küche hing noch der Geruch der Spiegeleier. Sie hatte den Kindern beigebracht, wie man ein Spiegelei zubereitete, und vor allen Dingen Jens hatte sich sehr geschickt angestellt.
    Beide wußten, was mit ihrer Mutter los war, ließen es sich aber nur selten anmerken. Natürlich kannte man auch im Ort ihr Problem. Die meisten Menschen mieden sie. Der junge Pfarrer aber hatte versucht, mit ihr über das Problem zu reden. Er wollte sie auch in eine Klinik stecken, aber dagegen hatte sie sich vehement gewehrt und den Pfarrer letztendlich aus der Wohnung geworfen.
    »Irgendwann«, murmelte sie, »irgendwann ist die grausame Zeit vorbei, das steht fest.« Sie bestätigte dies durch ein Nicken und griff zur Flasche. Da leuchteten ihre Augen auf, als der Alkohol in ihren Mund floß, sich auf die Reise durch die Kehle und den Magen machte, wo er für eine wunderbare Wärme sorgte.
    Beim Anheben der Flasche hatte ihre Hand noch gezittert, das aber hörte auf, je länger sie trank. Und sie hatte einen langen Zug.
    Im Hals spürte sie ein leichtes Brennen, das jedoch vom wohligen Gefühl im Magen überstrahlt wurde. So war es immer. Nach dem ersten Schluck sah die Welt ganz anders aus, da fühlte sie sich dann wohler.
    Sie hockte am Tisch und drehte ihren Kopf leicht nach links. Jetzt hatte sie die Glotze im Blickfeld. Ohne sie hätte sich Helga in der Küche nicht aufhalten können. Der Fernseher war der einzige Kanal zur Außenwelt, da konnte sie sich von den bunten

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