0933 - Die Horror-Mühle
natürlich wissen, vor wem sie die Kinder retten mußte.
»Es sind die Schatten.«
»Wer?«
»Seine Helfer. Seine Heiligen. Er hat sie beschworen. Es sind dämonische Seelen aus einem dunklen Reich. Er spricht von den Schatten als Heiligen, von Resten seiner Geisterwelt.«
Diese Erklärung war mir etwas zu vage. Deshalb sagte ich: »Verschiedene Schatten sind mir bekannt. Ich denke an den Spuk, Herrscher im Reich der Dämonenseelen und der Schatten überhaupt. Sind diese Schatten aus seiner Welt freigelassen worden?«
»Nein, die kenne ich nicht. Seine Schatten, John Sinclair, nur seine, die durch ihn entstanden.«
Ich wollte es nicht glauben. »Er?« hakte ich nach. »Er soll diese Schatten geschaffen haben?«
»So ist es, John. Er hat sie geschaffen. Durch seine böse Phantasie konnten sie entstehen. Sie hat diese Schatten aufgebaut. Aber er will sie zu seinen richtigen Helfern machen. Sie sollen nicht mehr nur als Schatten existieren. Die Auswüchse seiner bösen Phantasie sollen wieder normal leben, und deshalb will er ihnen das Blut und letztendlich den Tod der Kinder geben. Es ist schlimm, aber die Regeln sind nun mal nicht anders.«
»Produkte seiner Phantasie. Seines Bewußtseins, das hast du doch gemeint, nicht wahr?« Ich war innerlich gespannt auf die Antwort, denn so etwas Ähnliches hatte ich schon einmal erlebt.
»So ist es. Sein Bewußtsein und seine Phantasie sind schlimm. Was er sich ausgedacht hat, das konnte entstehen. Er hat die Grenzen durch die Hilfe des Satans überschreiten können. Bisher gelang es ihm nur, Schatten herzustellen. Es sind Teile seines Bewußtseins. Er hat es sich ausgedacht…«
Meine Gedanken wanderten ab. Ich dachte einige Monate zurück an die Mitglieder des Höllenclubs und an einen gewissen Durand, der es geschafft hatte, das menschliche Bewußtsein vom Körper zu trennen, und es gewissermaßen auf die Reise zu anderen Zielen hin zu schicken.
Das Bewußtsein hatte dann von anderen Gegenständen Besitz ergriffen und es manipuliert. Das konnte ein Mensch sein, aber auch eine Wand, eine Pflanze, ein Baum oder ein Ball.
Ähnlich funktionierte es auch bei Alfons Buzea. Er stand über anderen Menschen. Er konnte sich auf Eigenschaften verlassen, die ihm der Teufel mit auf den Weg gegeben hatte. Aber die Hölle gab nichts umsonst. Sie forderte immer. Sie war der Schrecken des Guten. Sie hatte auch von Buzea gefordert.
Kinder…
Ich kriegte einen trockenen Hals, als ich wieder an die beiden dachte.
Sie steckten in der Mühle, aber sie wurden nicht allein von Buzea bedroht, sondern auch von den von ihm geschaffenen Gestalten, und das wiederum ließ in mir die Angst hochsteigen.
Weshalb die Mondgöttin plötzlich eingegriffen hatte, war mir unbekannt.
Ich wollte den Grund auch nicht wissen, es zählte allein, daß sie etwas tat.
Der geistige Kontakt zu ihr war abgebrochen, aber ich sah sie trotzdem noch.
Dicht an der Außenwand der Mühle und auch in einer relativen Höhe schimmerte plötzlich ein Fleck. Silberfarbener Staub, winzige Spuren, die sich zusammengesetzt hatten und die Gestalt bildeten, huschten in das Mauerwerk hinein.
Dann sah wieder alles normal aus, und auch in meiner Umgebung reagierte jemand normal. Es war Harry Stahl, der sich den Kopf hielt, mich dabei anschaute und danach fragte, ob er einen Blackout gehabt hatte. »Wieso?«
»In den letzten Sekunden - verdammt, ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Ich habe den Eindruck, überhaupt nicht gelebt zu haben. Als gäbe es die Zeit nicht.«
»Es ist schon alles richtig. Wir müssen nur zur Mühle.«
»Wie willst du denn hinein?«
»Von vorn!«
»Was?!«
»Ja.« Ich war bereits unterwegs. »Warum denn das?«
»Vertraue mir, Harry, ich weiß was ich tue.«
So sicher, wie ich mich gab, war ich allerdings nicht. Ich konnte nur hoffen, daß Emily kein falsches Spiel trieb…
***
Helga Stolze hatte in ihrem Leben schon einiges durchgemacht und dabei wesentlich mehr Tiefen als Höhen erlebt. In diesen für sie schrecklich langen Sekunden war alles bisher Durchgemachte in den Hintergrund gedrängt worden. Der reine Horror hielt sie umklammert, eine tiefe Angst, die sie sogar daran hinderte zu schreien, und nur ein Stöhnen drang aus ihrem Mund, das auch verstummte, als sie verzweifelt versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen.
Alfons Buzea hielt noch immer ihre Haare fest. Er hatte sie wie ein Spielzeug aus der Truhe hervorgeholt, sie dabei zur Seite geschleift und drückte
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