0934 - Der Schlüssel zur Quelle
allein am Fenster und schauten hinaus auf das Land. Dylan hatte sich zurückgezogen, um Kathryne bei irgendeiner unbedeutenden Kleinigkeit zur Hand zu gehen. Lady Patricia ruhte in ihren Gemächern und erholte sich von der durchwachten Nacht, und Gryf, der jahrtausendealte Silbermond-Druide, der der Gruppe um Zamorra in einigen der jüngsten Entwicklungen ebenfalls zur Seite gestanden hatte, war ohnehin längst wieder fort. Er würde zurückkehren, sowie er es für nötig erachtete oder Zamorra ihn rief - wie üblich. Rhett befürchtete, dass dieser Zeitpunkt immer näher rückte.
Draußen vor dem Fenster stand der Tag in voller Blüte, hatte sich aber nicht gegen das schlechte Wetter durchsetzen können. Graue Regenwolken bedeckten den Himmel. Das Loiretal troff buchstäblich vor Nässe und wirkte selbst von Rhetts Position im Warmen, Trockenen aus klamm und ungemütlich. Nach wie vor herrschte trübes Halbdunkel vor, wohin man auch blickte. Und im Gemüt des Erbfolgers sah es nicht anders aus.
Hatten sie zu lange gezögert? Hätte Rhett, der sich immerhin als Freund Dylan McMours betrachtete, diesem früher reinen Wein einschenken sollen? Er glaubte, schon.
Dylan, der einstige »Dämonentourist«, war ein Auserwählter - das wussten Rhett und Zamorra mittlerweile. Allerdings nur sie. Niemand anderes besaß diese Information, weder Dylan, noch Kathryne oder der Rest der Château-Bewohner. Und - beinahe - McCain!
Und nun, nach McCains so absurder Offenbarung, plagte den jungen Mann das schlechte Gewissen.
»Dylan hat immer zu mir gehalten«, sagte Rhett leise, ohne den Blick von den verregneten Wiesen und Feldern vor dem Anwesen des Meisters des Übersinnlichen zu nehmen. »Er hat mir geholfen, als ich Hilfe brauchte. Mit Anka. Mit Krychnak und Xuuhl… Hat er es nicht verdient, dass er Bescheid weiß?« Die Frage war obsolet, denn er hatte sie bereits gestellt. Doch die Antwort, die er erhalten hatte, war in Rhetts Augen nicht tragbar.
Zamorra nickte und wirkte ein wenig wie ein übergeduldiger Vater. »Zweifellos. Es geht allerdings nicht um Verdienste, Rhett. Sondern um strategische Vorteile. Stell dir nur mal vor, Anka hätte Dylan nie vom Vampirkeim befreit, den McCain in Schottland in ihn pflanzte. Alle anderen Entwicklungen außen vor gelassen, wäre es dann vermutlich eine Leichtigkeit für den alten Druiden, jetzt herauszufinden, wer der von uns beherbergte Auserwählte ist. Er hat Dylan einst zum Vampir gemacht, und wenn unser Freund immer noch ein solcher wäre, könnten wir weit weniger für ihn tun. Doch Dylan ist wieder Dylan, dafür hat deine Anka persönlich gesorgt. Sie hat ihn gerettet, und auf diesen Glücksfall bauen wir jetzt auf. Momentan kann Matlock sich nämlich nicht sicher sein, ob er Kathryne - die er ohnehin für Anka halten dürfte - oder Dylan als Schlüssel benötigt. Und solange er das nicht weiß, wissen wir mehr als er.«
Vorteil für uns, schon klar. Aber gefallen muss mir das hoffentlich nicht. Rhett verzog das Gesicht, als habe er in einen sauren Apfel gebissen.
Der Professor wandte den Kopf zur Seite und blickte seinen jugendlichen Mitstreiter im Kampf für das Gute an. »McCain und Dylan sind in Schottland gemeinsam durch das Tor zur Quelle gefallen«, sagte er ruhig und eindringlich. »Und Anka war ebenfalls in der Nähe. Seitdem wird der Vampir eins und eins zusammengezählt haben. Da er allein nicht zur Hüterin gelangt, all seiner Llewellyn-Magie zum Trotz, braucht er jemanden, der ihm den Weg bereitet. Und noch ist er sich nicht sicher, ob es sich bei diesem Jemand um Anka oder Dylan handelt.«
»Das sehe ich ein. Aber welchen Unterschied macht es, ob Dylan sich seiner eigenen Bedeutung in diesem Spiel bewusst ist?« Rhett war nicht dumm. Er ahnte, was der Professor als Nächstes sagen würde, und doch… Warum konnten Wahrheiten nicht einfach ihre Macht verlieren, indem man sie ignorierte? Es war nicht fair, schlicht und ergreifend!
»Je weniger von uns informiert sind, desto besser«, antwortete Zamorra. »Und das schließt Dylan ein. Sei unbesorgt - wir werden ihn nicht aus den Augen, geschweige denn aus dem Haus lassen. Ihm wird nichts geschehen. Aber falls doch: Ein Geheimnisträger, der sein eigenes Geheimnis nicht kennt, ist für seine Gegner weitaus weniger wertvoll. Glaube mir«
»Alter Schalter… Das ist echt voll der Scheiß!« Rhett seufzte. Ihm gefiel diese Sache ganz und gar nicht, und er konnte sich - aller Logik und Rationalität zum Trotz -
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