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0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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schön!«
    »… verstehe nicht, was diese Blockade hier soll?«
    Seit geschlagenen fünfundvierzig Minuten standen Jenny und ihr Kameramann Michael Zucchio nun schon vor dem Kabuff der Alten und versuchten, zu ihrem Termin mit der Gefängnisleitung vorgelassen zu werden, wie man es ihnen telefonisch und schriftlich zugesichert hatte. Doch diese texanische Matrone schien sich ganz offensichtlich für die Chefin vom Dienst zu halten, die eigenmächtig darüber entscheiden durfte, wer die Huntsville Unit betrat und wer nicht. Groß und klobig zeichnete sich das Gebäude jenseits der Zäune und Backsteinmauern gegen den morgendlich-trüben Himmel ab - eine Bastion, aus der es kein Entkommen gab.
    Oder, wie im Falle von Jenny und Mike, kein Reinkommen.
    Die Alte kniff die Augenbrauen zusammen und sah Jenny aus ihren grünen Augen an. Skepsis lag in ihrem Blick. Und unverhohlene Verachtung. »Darf ich ehrlich sein, Miss?«, fragte sie leise.
    Moffat hob die Arme, rollte mit den Augen, stieß Luft durch die Nase. Gesten der Hilflosigkeit. »Um Himmels willen, Frau, reden Sie. Bringen wir es hinter uns.« Die attraktive Jungjournalistin wusste genau, was als Nächstes kam. Das, was ihr begegnet war, seit sie die texanische Kleinstadt erreicht hatte. Das gute alte Ablehnungsspiel.
    »Ich kenne Ihre Sendung, Miss Moffat«, begann die Pförtnerin, und jedes Wort klang wie ausgespuckter Rotz. »Und ich weiß, wes Geistes Kinder, um es mal poetisch auszudrücken, ihr ach so liberalen Medienfuzzis seid. In euren Augen sind wir doch alle Waffenfanatiker und Relikte aus längst vergangenen Tagen. Wild Bill Hickocks der Neuzeit. Wer sich offen zur Todesstrafe bekennt und diese sogar noch befürwortet, hat bei euch Michael-Moore-Verschnitten doch schon verloren. Oh ja, ich habe ›Bowling for Columbine‹ gesehen. Ich weiß, wie ihr Bilder manipuliert und euren Interviewpartnern in der Nachbearbeitung das Wort im Mund herumdreht. Ihr interessiert euch nicht für die Fakten. Ihr interessiert euch nur dafür, eure vorgefertigten Ansichten bestätigen und Menschen mit anderen Meinungen als Idioten vorführen zu können - und das Fernsehen bietet euch dazu die ideale Bühne.«
    Jenny kochte innerlich. »Das ist doch absoluter Humbug. Objektive Berichterstattung, das habe ich ihrem Department schriftlich zugesichert; sehen Sie einfach in den Papieren nach. In Wahrheit wollen Sie uns nur nicht…«
    »Wahrheit?«, brauste die Alte auf. »Sie wagen es, mir mit der Wahrheit zu kommen? Miss Moffat, Leute wie Sie können mit der Wahrheit doch gar nicht umgehen! Tun Sie uns beiden einen Gefallen und kehren Sie zu dem Rest Ihres Obama-Demokraten-Schwätzerklubs zurück. Halten Sie von mir aus Händchen, tanzen Sie im Kreis und singen Sie Ihr Kumbaya, so laut Sie wollen. Aber behindern Sie die wichtigen Arbeiten nicht, verstanden? Die, die Amerika stark gemacht haben. Lassen Sie uns hier unseren verdammten Job machen. Denn ich garantiere Ihnen, ohne uns wäre auch Ihr Lebensstil nicht möglich. Die Freiheit ist ein Gut, das mit Waffengewalt verteidigt werden muss, Miss Moffat! Nicht mit Worten.«
    Für einen Moment war Jenny sprachlos. Pathos gepaart mit Dummheit - eine gefährliche Kombination.
    Dann legte Mike ihr eine Hand auf die Schulter, sanft aber bestimmt. »Gehen wir, komm.«
    »Aber…« Sie funkelte ihn wütend an. »Die Papiere - der Termin!«
    »Kriegste eh nicht«, sagte er leise und begann, sie zur Seite zu drängen, weg vom Pförtnerhäuschen. »Die will nicht diskutieren, sondern predigen.«
    »Hören Sie auf Ihren Begleiter«, krakeelte die Alte ihnen triumphierend nach, während sie taub vor Verblüffung den schmalen Pflasterweg zurückgingen, wie geschlagene Hunde. » Think America kann mich mal!« So ging das, bis Jenny und Mike außer Hörweite waren.
    Unfassbar. Jenny zitterte vor Wut. »Für wen hält die sich?«, fragte sie, sobald sie ihren Übertragungswagen auf dem Besucherparkplatz der Anlage wieder erreicht hatten. »Für wen halten die sich hier allesamt?«
    Es hatte früh angefangen. Hotelzimmer, die ganz plötzlich angeblich nie gebucht gewesen waren. Ein Kellner im Diner, der ihnen den Frühstückskaffee zu den pappig schmeckenden Käsebroten auch nach dreimaliger Reklamation noch kalt geliefert hatte. Blicke, Zeigefinger. Rüstige Rentner hatten vor ihnen auf die Straße gespuckt, Autos sie am Fußgängerübergang beinahe über den Haufen gefahren. Huntsville schien Kritiker zehn Meilen gegen den Wind zu riechen

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