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0935 - Aibons klagende Felsen

0935 - Aibons klagende Felsen

Titel: 0935 - Aibons klagende Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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umspülten bereits ihre Knie. Nun drehte sie sich um. Ob es an der Handbewegung oder an einem Windstoß gelegen hatte, das wußte keiner der Männer zu sagen. Jedenfalls wehte ihr Umhang in die Höhe, und es sah aus, als wollte Joanna jeden Augenblick davonfliegen.
    Das tat sie nicht, aber jetzt konnten die Männer erkennen, daß sie darunter nackt war.
    Sie lächelte mokant und wissend. Dann schaute sie wieder über das Meer. Dort, wo die Wellen schon von aus dem Wasser ragenden Felsen gebrochen wurden und Schaumkronen die Oberfläche bedeckten, zeichnete sich ein seltsamer Schatten ab, den beide Kidnapper sahen. Hoch, groß, der Ähnlichkeit mit einem Schiffsrumpf aufwies.
    »Warum schießt du nicht, Ramon?«
    »Ich kann nicht!«
    »Aber…«
    Ramon ließ die Waffe sinken. Joanna/Svenja hatte durch ihren knappen Wink dafür gesorgt, und plötzlich spürte auch Gregg, daß ihn etwas am Kopf traf.
    Es war ein Befehl. Er wußte nicht, wer ihn abgegeben hatte, aber er mußte ihm gehorchen.
    Er ging.
    Auch Ramon ging.
    Svenja ebenfalls.
    Drei Personen, die ihre Furcht vor dem Wasser verloren hatten. Die den Wellen entgegenschritten, als wären sie ihre Freunde. Drei Urlauber, die es sich gemütlich gemacht hatten und vor dem Wasser keine Furcht zu haben brauchten.
    Sie hörten das Singen der Steine in ihrem Rücken, aber der Gesang war längst nicht mehr so laut. Er wurde leiser und leiser, er ebbte ab, und als die Wellen ihre Füße umspülten, da war er kaum zu hören.
    Nur hatte sich die Welt vor ihnen verändert. Das Wasser schäumte ihnen entgegen, aber die Luft darüber sah wieder anders aus. Es gab keinen Sprüh. Sie war ungemein klar - und auch grün.
    Eine Luft wie Glas.
    Wasser, das eine Kälte abgab, die von ihnen kaum erfaßt wurde. Alles war so anders geworden, fremd und kalt, aber zugleich hatte man ihnen die Angst genommen.
    Sie folgten dem schlanken Körper der Frau, die sich ungemein sicher fühlte.
    Selbst die doch starken Wellen schafften es nicht, sie wieder zurückzuwerfen! Sie überrollten sie sogar, aber sie ging weiter.
    Wie auch die beiden Kidnapper.
    Schritt für Schritt ins Meer, das im Prinzip kein Meer mehr war.
    Eine andere Welt ohne Nässe und Kälte. Das Meer hatte sich zurückgezogen und war trotzdem vorhanden.
    Eine grüne Welt nahm sie auf.
    Sie konnten atmen, sie konnten riechen und schmecken und sahen sich plötzlich in einer anderen Umgebung um. Sie standen auf dem Deck eines gestrandeten Schiffes, zusammen mit Joanna, die ihnen einen kalten Blick zuwarf, dabei nickte und sagte: »Jetzt wird abgerechnet…«
    ***
    Wir hatten uns beeilt, weil wir davon ausgingen, daß jede Sekunde wichtig war. Die beiden Kidnapper kannten in ihrer Gier kein Pardon. Sie hatten auf uns geschossen, und sie würden auch, wenn es hart auf hart kam, das Leben der Frau nicht schonen.
    Die aber konnte sich selbst helfen. Wir waren nicht so nahe heran, um eingreifen zu können, zudem störte uns jetzt das wieder laut gewordene Jammern der Felsen, aber Joanna hielt die beiden unter Kontrolle. So zumindest kam es uns vor. Sie gab die Anweisungen. Die Männer ähnelten Statisten.
    Wir kletterten weiter.
    Ich hatte den Anfang gemacht und suchte den Weg. Rutschte über Ecken und Kanten. Hin und wieder wehte der Wind die Gischt bis an die relativ geschützten Plätze heran. Sie wehte gegen uns, sie toste in unseren Ohren. Wir hörten das Schreien und Klagen. Unzählige Seelen schrieen ihre Pein hinaus. Ich wäre nicht verwundert gewesen, wenn sich die Felsen plötzlich in unserer Nähe geöffnet hätten, um die Gequälten ins Freie zu lassen.
    Einmal war ich zu unvorsichtig und rutschte mit dem linken Fuß weg, als hätte meine Sohle eine Eisfläche berührt. Auch Bill war zu weit entfernt, um mich hätte halten zu können. Ich sah mich schon in der Rinne liegen und nach unten rutschen, überschlagend und immer wieder auf tickend, da kam mir der waagrechte aus einer Felsspalte wachsende harte Zweig wie ein Wink des Schicksals vor.
    Mein Arm ruckte in die Höhe. Ich kriegte den Ast zu fassen, der sich unter meinem Gewicht durchbog, aber hielt, so daß ich mich wieder fangen konnte. Das war knapp gewesen.
    Bill zerrte mich dann zurück. »Zuviel Power ist manchmal tödlich«, sagte er.
    »Du hast recht.« Ich schwang mich wieder zurück und legte eine kurze Pause ein, um nach unten zu schauen.
    Das Singen der Felsen hatten wir verdrängt oder vergessen. Viel interessanter war das, was sich unter und vor uns

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