0935 - Aibons klagende Felsen
Töne, aber keine Melodien. Eine Mischung aus Gesang und Instrumentalmusik? Uns kam es vor, als würde jemand auf zahlreichen Instrumenten gleichzeitig spielen, wobei die einzelnen Instrumente nicht miteinander harmonierten.
Ein hohl klingendes Flöten überlagerte die meisten Töne. Es strich klagend durch die felsige Region, und die Echos bauschten die Lärmkulisse noch auf.
Bill und ich rührten uns nicht. Wir lauschten gebannt dem Unheimlichen, das uns da entgegendrängte, als käme es aus einer anderen Welt, die sich hinter dem Gestein verbarg.
War das Aibon? Gehörte es dazu?
Ich kam damit nicht zurecht, aber dieses geheimnisvolle Land im Nirgendwo schickte uns seinen ersten Gruß, denn durch die Schlucht huschte ein grünlicher Schimmer, glasklar, aber ohne Widerstand. Wie eine hauchzarte Decke.
Aibon hatte sich gemeldet.
Und Aibon faszinierte nicht nur Bill und mich. Auch die beiden Gangster standen bewegungslos auf ihren Plätzen. Sie lauschten den Klängen unfreiwillig. Sie dachten nicht mehr daran, ihre Waffen einzusetzen oder die Frau mit bloßen Händen anzugreifen. Sie war geschützt. Das Wimmern hielt an. Eine Melodie der Trauer, des Schreckens und der Pein. Obwohl wir uns normal bewegen konnten, fühlten wir uns wie Gefangene in dieser andern Welt, die sich immer mehr zusammendrängte, also dabei dichter wurde. Es war schwer zu erklären, aber es lag einfach an dieser dünnen, grünen Haut, am Licht, an einem Glas, das eigentlich nicht vorhanden war.
Allmählich begriff ich, was hier passierte. Der Teil einer verschwundenen Welt schob sich in die Realität hinein, denn innerhalb des Lichts zeichneten sich Szenen ab, die dünn und gespenstisch wirkten. Sie waren unheimlich, sie waren kaum zu erkennen, aber es gab sie, wenn auch nur als Schatten.
Was war es?
Ein Schiff vielleicht? Andere Klippen? Ein anderes Meer? Aber alles war so seltsam erstarrt, und selbst die Wellen rollten langsamer an das Ufer heran. Mir jedenfalls kam es so vor.
Ich war hier überfragt, doch die Frau fühlte sich wohl. Joanna hatte sich verändert, sie trug sogar einen anderen Namen. Svenja, das hatten wir genau verstanden.
Wieviel Zeit seit Beginn dieses Phänomens vergangen war, wußten wir nicht. Jedenfalls war Svenja in der Lage, sich zu bewegen. Sie genoß diese Veränderung auch, und sie hob das Schwert an, bevor sie sich in Bewegung setzte.
»Ihr wolltet mich?«
Ob sie laut oder normal gesprochen hatte, fanden wir nicht heraus. Jedenfalls war ihre Stimme zu hören. Sie kroch als Schall an den Wänden entlang in die Höhe und erreichte auch unsere Ohren.
Eine Antwort hörten wir nicht. Svenja oder Joanna aber lockte weiter. »Wenn ihr mich wollt, dann kommt. Ich soll euch doch Geld bringen. Noch einmal eine große Summe. Na los, ihr Gierigen! Ich warte auf euch.« Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie den beiden Männern den Rücken zuwandte.
Sie schaute auf das Wasser, und es schien eine magische Anziehungskraft auf sie auszuüben. Sie schritt ihm mit lockeren Schritten entgegen.
»Ich denke, wir sollten jetzt auch gehen«, sagte Bill. Seine Stimme hatte sich krächzend angehört.
Dagegen hatte ich nichts einzuwenden.
***
Alles hatten Ramon und Gregg verstanden - alles. Aber sie waren nicht in der Lage gewesen, etwas zu verändern, denn eine andere Kraft hatte eingegriffen, die sie nicht kannten, die ihnen jedoch Angst einjagte.
Die Männer zitterten, ohne sich zu bewegen. Sie lauschten der unheimlichen Musik der wimmernden Felsen, und sie waren nicht in der Lage, sie zu verdrängen, um ihre eigenen Pläne durchzuführen. Sie waren auch entschlossen gewesen, ihre Waffen einzusetzen, wenn es hart auf hart kam. Das alles galt nicht mehr. Die andere Macht hatte hier das Kommando übernommen.
Daß sie sich übernommen hatten, kam ihnen wohl in den Sinn, doch sie gaben es nicht zu. Auch kamen sie mit dem neuen Outfit dieser Person nicht zurecht. Sie hatte sich umgezogen und sah aus, als spielte sie in einem Abenteuerfilm mit. In einem Endzeitschocker, wo Frauen ebenfalls große Kämpferinnen waren und es den Männern gleichtaten.
Joanna Westwood war nicht mehr das kleine, schüchterne Mädchen. Nicht mehr die junge Frau, die vor Angst verging, mit der man hatte machen können, was man wollte. Nein, vor dieser Gegnerin mußten sie sich in acht nehmen. Diese Gegnerin verstand es sogar, ein Schwert zu führen. Davon gingen beide aus, ohne eine Probe des Könnens erlebt zu haben.
Joanna gab sich sicher. Sie
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