0937 - Die Rückkehr des Amuletts
Zeiten, in denen du die gigantische Kraft des Amuletts unbegrenzt nutzen konntest, sind für immer vorbei. Das heißt, dass du ab jetzt etwas kleinere Brötchen backen musst , klang es in ihm nach. Das war sicher nicht das, was er zu hören gehofft hatte. Andererseits hatte er auch die Zeit ohne seine stärkste Waffe im Kampf gegen das Böse schadlos überstanden.
»Wie viel kleiner?«, fragte er.
»Nicht viel, aber doch spürbar. Lass mich dir zuerst erklären, wie das Amulett gearbeitet hat. Damit die Kraft einer entarteten Sonne , die darin gespeichert ist, von seinen Benutzern überhaupt in magische Energie umgesetzt werden kann, hat Merlin einen winzigen Teil seiner Mentalsubstanz als ordnende Macht in diesem tobenden Chaos verankert, weil nur er stark genug war, mit diesen gigantischen Kräften einigermaßen umzugehen. Kein Benutzer, ob Mensch oder Dämon, hätte es alleine geschafft, mit seiner Magie diese Kräfte zu transformieren. Wenn du nun also dem Amulett einen Befehl erteilt hast, Zamorra, ging dieser direkt an Merlins Bewusstseinssplitter. Der sorgte zuverlässig dafür, dass das Amulett die gewünschten Funktionen ausführte, von denen er viele Tausend angelegt hat.«
»Viele Tausend«, flüsterte Zamorra. »Ich kenne gerade mal zwei Dutzend, wenn's hoch kommt.«
»Ja. Die Silberscheibe ist neben Caermardhin das größte magische Wunderwerk, das ich je gesehen habe. Der Respekt vor meinem toten Bruder ist dadurch ins Unendliche gestiegen. Aber sag, willst du deinen Whisky nicht trinken?«
»Äh, doch, ja.« Zamorra probierte. Er schmeckte sensationell.
»Nun, im Laufe der Zeit bildete sich aus Merlins kleinem Stückchen Mentalsubstanz eine neue Wesenheit, genauso wie Shirona im sechsten Amulett, denn auch dort gab es diesen Mentalsplitter. Diese Bewusstseinssplitter, die eigentlich klein genug waren, um sich nicht zu selbstständigen Wesen entwickeln zu können, wurden durch die vierzehndimensionalen Kräfte der Sonnen, in denen sie schwammen, quasi aufgeladen. Stell es dir wie eine Art Geburt vor, Zamorra, denn die Mentalsplitter entwickelten sich nicht vollkommen zu Taran und Shirona. Als ich zum ersten Mal in die magischen Strukturen von Merlins Stern eindrang, was mir erst nach dem Tod meines Bruders möglich war, denn das hatte ich selbstverständlich auch zuvor schon versucht, fand ich neben Taran eben diesen Mentalsplitter vor. Er war bereits am Absterben und wärst du einige Zeit später gekommen, wäre er gar nicht mehr vorhanden gewesen. Er ist nach Merlins Tod ebenfalls langsam abgestorben, auch wenn mein Bruder jede Verbindung zu dem Bewusstseinssplitter gekappt und ihn praktisch als eigenständiges Wesen belassen hatte.«
»So wie seine Inkarnationen, die ja auch selbstständig agieren konnten.«
»So ähnlich, ja. Mit Taran scheint allerdings ein Element entstanden zu sein, das den Bewusstseinssplitter des Öfteren gestört und manchmal sogar sabotiert hat. Denn Taran hatte Bewusstsein und somit seine eigenen Vorstellungen. Nach Merlins Tod und dem Verlöschen des Bewusstseinssplitters drehte auch Taran völlig durch, er war geistig völlig verwirrt. Ein eindeutiges Indiz übrigens, dass er tatsächlich aus dem Bewusstseinssplitter entstanden ist. Ich habe Taran aus dem Amulett gelockt und nicht wieder hinein gelassen. Das war meine erste Maßnahme, um es wieder in den Griff zu bekommen.«
»Taran also. Und Merlins Tod. Ich habe mir bereits gedacht, dass es damit zusammenhängen muss. Du bestätigst es mir nur noch. Was ist mit Taran? Du hast ihn doch nicht etwa…«
Asmodis betrachtete die rote Flüssigkeit in seinem Becher und kicherte erneut. Die rote Spitze seines langen Schwanzes stellte sich senkrecht vor seinem Gesicht auf. »Aber nicht doch, mein Bester. Taran lebt und wandert durch die Welt. Keine Ahnung, wo er sich gerade aufhält. Und ob er sich nach dem Verlassen des Amuletts mittlerweile wieder besserer Gesundheit erfreut, vermag ich auch nicht zu sagen. Es geht mir auch ehrlich gesagt am Allerwertesten vorbei.«
»Hm. Merlin sagte doch immer, er besitze keinerlei Zugriff auf das Amulett. Und nun erfahre ich, dass er sogar darin genistet hat.«
»Ha, ha. Genistet ist gut. Aber unter all den verwirrenden Aussagen, die mein geistig immer mehr abbauender Bruder in den letzten Jahrhunderten getroffen hat, ist das nur eine mehr. Sie mag stimmen oder auch nicht, vielleicht hat er sogar selbst daran geglaubt. Es ist egal, wir werden es nicht mehr nachprüfen
Weitere Kostenlose Bücher