0937 - Die Rückkehr des Amuletts
Keine Chance. Also anders. Er konzentrierte sich auf seine Magie. Plötzlich flammte kaltes blaues Feuer auf und flackerte über das Klebeband. Dort, wo es angriff, zerfielen die Fesseln sofort zu Staub.
Yeah! Geschafft! Zumindest kleine Sachen gehen problemlos.
Rhett erhob sich vom Stuhl und brachte durch Bewegung wieder Leben in Arme und Beine. Dann ging er zur Tür und öffnete sie langsam. Unwillkürlich hatte er Angst, dass sie quietschte, aber das tat sie natürlich nicht. Vorsichtig schaute er hinaus. Links und rechts von ihm erstreckte sich ein langer, völlig leerer Kabinengang. Rhett trat hinaus und schlich sich über eine Freifläche zu der breiten Treppe, die gleich links von seinem Minuten-Gefängnis nach oben führte. Von dort war er mit dem Gangster gekommen. Der hatte ihn gleich in die erstbeste Kabine gestoßen. Wieder spürte Rhett große Angst in sich, als er die Treppe nach oben schaute. Seine Knie waren so weich, dass er sich am Geländer festhalten musste. Nun war er frei. Und wusste doch nicht, was er tun sollte. Er kannte sich doch in diesem riesigen Schiff überhaupt nicht aus. Für einen schrecklich intensiven Moment wünschte er sich Fooly herbei. Der kleine Drache hätte sicher gewusst, was zu tun war, und wenn nicht, dann hätte er ihm doch seine Angst genommen und ihm Sicherheit gegeben.
»He, Sie, psst.«
Rhett fuhr herum. Er sah sich einem großen, kräftigen, älteren Mann mit grauen, aber immer noch vollen, nach hinten gekämmten Haaren gegenüber, der eine weiße Uniform mit schwarzer Krawatte und Schulterklappen mit goldenen Abzeichen trug. Er hatte den ausgestreckten Zeigefinger auf die Lippen gelegt und stand vor einer halb geöffneten kleinen Tür, durch die er sich geschoben hatte.
Der Junge atmete auf. Einer der Stewards! Er folgte der Hand, die ihn zu sich winkte, nur zu gerne. Gleich darauf standen sie hinter der Wandverkleidung unter mächtigen Rohrleitungen, die über ihnen vorbei führten.
Selbst in dieser außergewöhnlichen Situation blieb der Steward höflich. » Bonjour, Monsieur «, begrüßte er Rhett, obwohl er sah, dass er einen Jungen vor sich hatte. »Mein Name ist Phillippe Mabboux, stellvertretender Chefsteward. Ich bin den Entführern entkommen und verstecke mich nun vor ihnen. Auch Sie scheinen Ihnen ausgebüxt zu sein, Monsieur…«
»Sagen Sie doch bitte Rhett zu mir, Monsieur Mabboux. Ich bin's noch gar nicht gewöhnt, dass jemand Monsieur zu mir sagt. So alt bin ich auch noch nicht. Und Sie dürfen mich auch ruhig duzen.«
»Also gut. Rhett.« Mabboux lächelte kurz. Der Junge fasste sofort Vertrauen zu dem väterlich wirkenden Mann mit den großen Augen und den offenen, freundlichen Zügen.
»Wissen Sie, Monsieur Mabboux, die Entführer hatten mich schon und der Boss wollte mich erschießen, hat dann aber eine Frau erschossen, eine Verkäuferin«, sprudelte es aus ihm heraus. Tränen standen plötzlich in seinen Augen. »Und ich konnte ihr nicht helfen…« Alle Anspannung löste sich von Rhett. Weinkrämpfe schüttelten seinen Körper.
Mabboux nahm ihn in den Arm und streichelte kurz über seine Haare. »Mach dir keine Vorwürfe, mein Junge. Wie hättest du ihr denn helfen wollen? Dazu hast du doch gar nicht die Möglichkeit. Diese… diese verdammten Bestien. Ich hab das gar nicht mitbekommen. Wo ist das passiert?«
»Auf dem… Deck.«
»Hm. Geht's wieder, Rhett? Hier.« Er reichte ihm ein Taschentuch. Der Junge nahm es dankbar an und wischte sich das Gesicht trocken. Dabei sah er, dass sich Mabboux die Lippe blutig gebissen hatte. Auch ihn nahm der Mord also gehörig mit.
»Ich bin so froh, dass Sie bei mir sind, Monsieur Mabboux.«
Der Steward nickte. »Ja, Zufall. Als ich hier raus wollte, habe ich dich stehen sehen. Wahrscheinlich werden wir aber noch auf weitere Passagiere und Personal treffen. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, sind es nur wenig Gangster. Die können unmöglich das ganze Schiff zusammengetrieben haben.«
»Das wäre super. Wenn wir genug sind, können wir die Scheißkerle überwältigen.«
Der Steward lachte leise. »Deine Hoffnung in allen Ehren, Rhett. Aber die sind mit automatischen Maschinenpistolen und Sturmgewehren bewaffnet. Da bräuchte man eine halbe Armee gegen die. So einfach wird's also nicht gehen. Wahrscheinlich ist's am besten, wir bleiben versteckt und warten erst mal ab.«
Rhetts Züge verhärteten sich. »Wir müssen aber etwas tun. Sonst bringt der Anführer noch meine Mutter um. Er hat
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