094 - Die Schleimigen von Ghost Valley
erfahren ?«
»Du meinst, dass wir vielleicht durch
das, was man sich erzählte, beeinflusst waren und wir
uns das alles nur einbildeten ?«
»Das wäre immerhin eine mögliche und vor allem logische Erklärung .«
»Ich habe viel über das nächtliche Gespenstererlebnis nachgedacht,
das kannst du mir glauben. Ja, wir wussten eine Menge
über Ghost Valley. Es gibt tausend Geschichten und Variationen über diesen Ort.
Wir wussten um unheimliche Erlebnisse und
Erscheinungen, aber niemals hat jemand Genaueres darüber sagen können. Wir
waren offensichtlich die Ersten .«
»Hast du nochmal etwas von den anderen Jungen gehört, die damals
dabei waren? Haben sie vielleicht versucht, das Geheimnis jener Nacht zu
ergründen ?« Die Blicke der beiden jungen Männer
begegneten sich. Einen Moment kam es Ralf Ortner so vor, als würde sein
Gegenüber leicht zusammenzucken und etwas irritiert sein. Aber dann begründete
er diesen flüchtigen Eindruck mit den herrschenden Lichtverhältnissen. Sie
saßen in einer urigen Kneipe, die wie ein alter Geräteschuppen rustikal und
originell eingerichtet war und in der ein seltsames Halbdunkel herrschte. Dicke
Kerzen in Wandhaltern spendeten jenes unruhige Licht, in dem sie ihr Gespräch
führten und ihre Getränke schlürften.
»Ich glaube, dass keiner mehr den Mut
gefunden hat, nach dieser Nacht noch mal etwas auf eigene Faust zu unternehmen,
Ralf. Wir mieden irgendwie den Kontakt untereinander, als befürchteten wir, dass man uns etwas anmerken könne. Kurze Zeit später sind
die anderen dann weggezogen. Ich hatte viel auf der Farm zu tun und musste fest mit anpacken, denn zu diesem Zeitpunkt war mein
Vater schwerkrank. Ich war mit fünfzehn der Älteste und der einzige Junge.
Lucy, meine Schwester, war damals zwölf. Sie half im Haus mit, während ich im
Hof und auf den Weiden zum Einsatz kam. Von den Freunden, die ich damals hatte,
lebt heute keiner mehr in Sacramento und Umgebung .«
»Und der Wunder-Imitator, dieser Pete Summers?«
»Ich wüsste selbst zu gern, wo der sich
herumtreibt. Einen Typ wie Pete, den vergisst man
sein ganzes Leben nicht. Er hatte fuchsrotes Haar, Sommersprossen und
abstehende Ohren. Der fiel schon durch sein Äußeres auf. Wenn ich ihm irgendwo
wiederbegegnete, würde ich ihn auf der Stelle erkennen. Der hat sich bestimmt
nicht verändert. Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Vor zwei oder drei
Jahren aber hab ich im Gespräch, auch hier im Shed ,
durch einen Handelsvertreter, der in der Gegend zu tun hatte, erfahren, dass Summers irgendwo im Norden von Nevada sein soll. Ob
das stimmt, weiß ich nicht. Die Beschreibung allerdings passte zu ihm. Er besuchte später das College und studierte danach angeblich
naturwissenschaftliche Fächer. Passen würde es zu ihm. Er interessierte sich
schon immer für komplizierte Vorgänge und wollte stets ganz genau wissen, wie
die Dinge zusammenhängen. Pete Summers soll für einen großen Chemiekonzern
tätig sein ...«
●
Sie blieben an diesem Abend nicht zu lange im Shed .
Um vier Uhr früh wollten sie aufbrechen. Vom Gasthaus bis zur Farm waren es
drei Meilen. Die hatten sie mit einem der alten Vehikel aus der Vorkriegszeit
zurückgelegt. Das Automobil aus dem Jahr 1936, ein moosgrüner Bugatti, stand
draußen vor der Tür und war von einigen neugierigen Dorfbewohnern, vor allem
Kindern, umlagert. Das chrom- und lackblitzende Modell war sechs Meter lang und
sah aus, als käme es frisch aus der Werkstatt. Richard Masters nahm den Platz
am Steuer ein, das deutsche Paar setzte sich auf die Rücksitze. Lucy Masters
war an diesem Abend nicht mit von der Partie, weil sie sich regelmäßig mit
ihrer Freundin Francis Grown traf, um ein Fest auf
der Farm vorzubereiten, das in drei Wochen stattfinden sollte.
Lucy und Francis studierten mit einigen anderen jungen Mädchen und
Männern von den Nachbarfarmen und aus dem Ort ein Theaterstück ein, das die
Entwicklung einer Familie vom Beginn der Besiedlung des Landes bis zum heutigen
Tag zum Inhalt hatte. Lucy und Francis waren über das Unternehmen, das im
Morgengrauen starten sollte, unterrichtet und wollte unbedingt daran
teilnehmen. Richard Masters startete den Bugatti auf Anhieb und löste die
Handbremse. Tuckernd zog das Automobil über die schmale, asphaltierte Zufahrt.
Die Kinder liefen noch einige Schritte hinter dem langsam fahrenden Auto her,
jubelten und riefen den Insassen etwas zu und blieben dann zurück.
In der Nacht packten Richard Masters
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