0943 - Der KYBSOON-Effekt
zu denken. Seine Bewegung war rein reflexhaft. Er schnellte sich nach rechts und hechtete hinter die wuchtige Sessellehne. Der Glutstrahl der donnernden Entladung zerfetzte die Lehne und hinterließ einen weißglühenden, rauchenden Krater in dem Material. Augenblicklich kam Roi wieder auf die Füße und schrie: „Du bringst mich um! Ich bin kein Gespenst aus deiner Erinnerung ..." Der nächste Schuß brannte eine tiefe Furche in die Tischplatte und fuhr krachend in die isolierte Wand. Roi lief geduckt um den Tisch herum, streckte die Arme nach vorn und sah, ehe er sich seitlich über eine niedrige Sitzbank schnellte, Demeter vor sich stehen. Sie starrte blicklos noch immer in die Richtung, in die sie den zweiten Schuß abgegeben hatte.
Jetzt, als er sprang, spürte er den stechenden Schmerz einer Verbrennung an der Schulter. Langsam drehte sich Demeter in seine Richtung, aber ihre Bewegungen waren durch den tranceartigen Zustand stark verlangsamt.
Die Hand mit der Waffe schwenkte viel langsamer herum.
Dieser Umstand rettete sein Leben. Er erreichte Demeter einen Sekundenbruchteil, bevor sie feuerte. „Nein!" schrie er auf. Der dritte Schuß röhrte eine Handbreit neben seiner Hüfte vorbei. Dann traf sein Handgelenk die Waffe und schmetterte sie aus der zitternden Hand der Wyngerin. Demeter sah an ihm vorbei und stöhnte leise. Ihr Oberkörper wiegte sich unkontrolliert hin und her. Mit einem Fußtritt beförderte Roi die Waffe unter ein Möbelstück und hielt Demeter fest.
„Ich bin sicher, daß du nicht ausgerechnet mich umbringen wolltest", sagte er, hob die junge Frau hoch und machte einige Schritte. Mit einem Schalterdruck aktivierte er den halbstationären Multirobot, der sofort die drei Brandherde zu löschen begann.
„Du ... bist... kein ... Sydraner!" flüsterte sie, dann versteifte sich ihr Körper. Roi legte Demeter auf die Liege und machte einen Satz zum Interkom. Er alarmierte eine Bereitschaftsgruppe der BASISMediziner und bat, daß Demeter abgeholt werden sollte. Dann setzte er sich neben sie und sah in ihr Gesicht.
„Was immer Sydraner heißen und bedeuten soll", brummte er und bemerkte die breite Spur der Verbrennung an seinem Schultergelenk, „ich bin kein Sydraner. Vermutlich hast du auf einen Schatten deiner Erinnerung geschossen."
Er dachte nach und versuchte, sich so tief wie möglich in Demeters Zustand hineinzuversetzen.
Irgendwo tief in ihrem Innern existierte eine Vielzahl von Welten, Abenteuer, Erlebnissen und Schrecken. Ihre Erinnerung umfaßte eine gewaltige Zeitspanne. Und hin und wieder tauchte eine der Welten aus dem Meer der passiven Erinnerungen auf und verwandelte jsich in eine neue, vorübergehende ScheinGegenwart.
Eine solche Aktion der Erinnerung hatte er eben miterlebt.
Demeter war von diesen, für sie realen Schattenbildern überwältigt worden. Nach ihrer Aussage war Klinik dafür verantwortlich, der kleine rote Planet mit den rotierenden Lebewesen. Roi vermochte sich nicht vorzustellen, auf wen Demeter in ihrer gefolterten Phantasie wirklich geschossen hatte. Es mußte sie mit panischem Schrecken erfüllt haben, gerade diesem Erinnerungsbild zu begegnen.
Der Anschlag hatte nicht ihm gegolten, sondern ... wem eigentlich? Würde er es jemals erfahren?
Der Summer riß ihn aus den Überlegungen.
„Bringt sie in einen Raum, in dem sie allein ist", sagte er zu den beiden Ärzten. „Sie steht unter einer Art Erinnerungsschock. Und bei der Gelegenheit könnte ich etwas von dem vorzüglichen BiomolPflaster gebrauchen.
Ich komme mit."
„Selbstverständlich, Danton!" Demeter wurde auf einer Antigravbahre vorsichtig festgeschnallt. Ihr Körper war völlig starr, also befand sie sich wirklich in Trance. Roi warf einen kontrollierenden Blick auf den Roboter, der begonnen hatte, die Brandspuren so gut wie möglich zu beseitigen, dann folgte er den Männern in das nächstgelegene Schiffslazarett.
„Eines kann man sagen", murmelte er in tiefer Nachdenklichkeit, „daß unsere Verliebtheit alles andere als ein langweiliger Zustand ist."
Ein Mediziner drehte sich um und fragte: „Hast du etwas gesagt, Roi?"
„Ich führte ein Stück Selbstgespräch", antwortete er grimmig, „und der Dialog war nicht für fremde Ohren bestimmt. Persönliche Angelegenheit."
„Verstanden."
Es war nicht zu vermeiden, daß mehrere Besatzungsmitglieder den Transport Demeters beobachteten. Bei der allgemeinen Beachtung, die diese ungewöhnlich gut aussehende Frau an Bord der BASIS
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