0946 - Angst um Lucy
Besorgen von Geschenken zuviel Zeit nahm. Ich war zu angespannt, lebte zudem allein, und es wäre vielleicht anders gewesen, hätte ich mit einer Partnerin zusammengewohnt.
Bei Ehepaaren ist das ja oft genug anders. Da sorgen dann die Frauen für die vorweihnachtliche Stimmung, und selbst wer aus einem anderen Glaubens- und Kulturkreis stammte, paßte sich oft genug an. Das hatte ich bei Shao und Suko erlebt, deren Wohnung in der Vorweihnachtszeit mehr durch das Licht dicker, roter Kerzen erhellt wurde, als durch die normalen Lampen.
Und Shao schaffte es auch immer wieder, Suko an ein oder zwei Abenden dazu zu überreden, mit ihr loszufahren und nach irgendwelchen Weihnachtsgeschenken zu suchen, was ihr Spaß bereitete, Suko weniger, das wußte ich, das hatte er mir erzählt, denn er wanderte oft genug mit einem stoischen Gesichtsausdruck neben ihr her, wartete dann vor irgendwelchen Geschäften und wurde als zweibeiniger Lastesel mißbraucht.
Auch ich entkam dem Streß niemals so richtig. Dafür sorgte vor allen Dingen Sheila Conolly, die Frau meines alten Freundes Bill, die stets in der Vorweihnachtszeit zu einem opulenten Essen einlud.
Ich saß nicht nur einmal im Jahr bei den Conollys am Tisch, aber das Essen in der Weihnachtszeit war immer etwas Besonderes. Es begann bereits am späten Nachmittag, und Sheila schaffte es immer, eine Gans so zuzubereiten, daß einem schon vom Hinsehen das Wasser im Mund zusammenlief. Auch der Duft, der aus der Küche strömte und sich im ganzen Haus verteilte, auch in Bills Arbeitszimmer, wo wir uns beide aufhielten, war etwas Besonderes.
Ebenso wie der Rotwein, den Bill aus dem Keller geholt hatte und der zu dem Besten gehörte, was der französische Markt zu bieten hatte. Er war vollmundig, hatte eine wunderbare Reife und einen langen Abgang.
Wir saßen uns gegenüber, tranken, hatten die Beine hochgelegt und genossen die bequeme Couch. Ich konnte aus dem Fenster in den Garten schauen, wo mehrere Tannen den Glanz der kleinen Lichterketten widerspiegelten, die Sheila über die Bäume gehängt hatte.
Hinzu kamen die normalen Scheinwerfer, die ebenfalls ihr Licht abgaben, so daß es nie ganz dunkel wurde.
Der Garten war durch die Lichter zu einer Insel geworden, die wie ein wahr gewordener Traum aus einer anderen Welt wirkte. Der Anblick, die Ruhe und auch der Wein hatten es geschafft, mich locker und entspannt zu machen, und ich hatten den letzten Fall vergessen, der ziemlich böse gewesen war. Er hatte mich in den Kurort Bath geführt, wo drei Frauen einem Stierdämon zu Diensten gewesen waren, dessen Inneres vom Höllenfeuer beherrscht worden war.
Diese Frauen – Untote – existierten nicht mehr, aber es war auch ein Mann gestorben, der mich erst auf die Spur gebracht hatte, und das hatte mich schon irgendwo getroffen, weil mir wieder einmal die Grenzen aufgezeigt worden waren. Es war nicht möglich gewesen, ihn vor einem tödlichen Schaden zu bewahren, und manchmal kam ich mir vor wie jemand, der einen Stein einen Berg hochrollt, kurz vor dem Gipfel aber die Kraft verliert, so daß der Stein wieder zurück ins Tal rollt und der Mann die Arbeit erneut aufnehmen muß.
Irgendwo sah Bill mir an, welche Gedanken ich wälzte, und er fragte: »Was ist los?«
Ich hob die Schultern. »Nicht viel.«
»Du hast nachgedacht?«
»Stimmt.«
»Über deinen Job?«
»Stimmt auch.«
Bill bewegte die Hand mit seinem Weinglas auf mich zu. »Den solltest du heute abend vergessen, Alter. Und wenn du davon anfängst, kriegt Sheila die Krise.«
»Kann ich mir denken.«
»Sie will davon nichts hören. Sprich über ihre Gans, über Kinder oder über die neuesten Filme, meinetwegen auch über den Weihnachtsstreß, aber laß den Job ruhen.«
Ich grinste. »Das werde ich versuchen.« Wir stießen an und lauschten dem hellen Klingen der Gläser. Danach tranken wir einen Schluck. Es war ein Genuß, wie der Wein über unsere Zungen rann.
»Dein Sohn und mein Patenkind wird heute abend hier nicht erscheinen?« fragte ich, als ich das Glas wieder zurück auf den Tisch stellte.
»Das weiß ich nicht.«
»Wieso?«
»Er ist in der Schule beschäftigt. Seine Klasse probt zusammen mit einer anderen die Aufführung eines Musicals in der Schulaula. Am letzten Schultag vor den Ferien ist dann Premiere. Wenn du Lust hast, kannst du kommen. Du bist herzlich eingeladen.«
»Mal sehen. Was spielt Johnny denn?«
»Keine Ahnung. Er macht daraus ein Geheimnis, aber er hat viel Spaß dabei.«
»Das
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