0946 - Angst um Lucy
dauert nicht mehr lange, aber das Warten wird sich lohnen.«
»Hast du schon gekostet?« fragte ich.
»Nur von der Soße, John. Wenn die Gans so schmeckt wie die Soße, dann können wir uns freuen.«
»Das schaffst du doch leicht. So eine Superköchin, wie du es bist. Keine Probleme.«
»So einfach ist das nicht, und auch Köchinnen haben mal einen schlechten Tag, zumindest brauchen sie mal eine Pause.«
Bisher hatte sie die Hände hinter dem Rücken versteckt gehalten, nun aber brachte sie sie nach vorn, und wir sahen, daß sie ein Rotweinglas festhielt.
»Das also ist deine Pause«, sagte ich und griff zur Flasche, da sie in meiner Reichweite stand. Ich erhob mich und schenkte ihr Wein ein.
Dann waren Bill und ich an der Reihe. Ich konnte an diesem Abend trinken, denn ich brauchte nicht mehr zu fahren.
Wir stießen an.
»Worauf?« fragte Sheila noch.
»Auf deine Gans.«
»In Ordnung, John.«
Die Gläser klangen gegeneinander, und das Echo wehte durch den Raum.
Es kam selten vor, daß wir in einer so guten Stimmung beisammen waren. Hin und wieder im Sommer, wenn es die Zeit zuließ und die Conollys ein kleines Gartenfest gaben, aber oft genug waren wir auch durch berufliche Dinge gestört worden. Allein das Haus der Conollys war schon mehrmals durch schwarzmagische Kräfte angegriffen worden. Oder wir waren einfach nur durch einen Anruf aus unserer Stimmung hervorgerissen worden.
Sheila hatte noch Zeit und setzte sich. »Worüber habt ihr beide euch denn unterhalten?« wollte sie wissen. In ihrem Blick lag etwas Lauerndes, denn sie hatte einen bestimmten Verdacht.
Bill gab die Antwort. »Über dieses und jenes, doch nichts Weltbewegendes.«
»War es der Job?«
»Wir haben das Thema nur gestreift«, sagte ich.
Sheila lächelte mich fast bissig an. »Und das soll ich dir glauben, Geisterjäger?«
»Warum nicht?«
»Weil ich dich kenne, weil ich auch meinen Mann gut kenne. Wenn ihr beide zusammenhockt, dann sind nicht die Frauen euer Thema, wie sonst üblich bei Männern, sondern die Arbeit.«
Ich hob die Hand. »Einspruch, Frau Richterin. Wir haben doch nichts gegen Frauen.«
»Das weiß ich. Aber wenn jemand mit seiner Arbeit verheiratet ist wie du, John, dann redet er immer darüber.«
»Wir haben uns über Johnny unterhalten und über seine neue Karriere, die er eingeschlagen hat.«
»Wieso?« Meine Antwort hatte Sheila irritiert.
Ich lächelte sie an. »Ich hörte, daß er in einem Musical mitspielt und schon auf den Brettern steht, die die Welt bedeuten.«
Sie winkte ab. »Das kannst du mir sagen, John, aber, um Himmels willen, nicht ihm! Setz ihm nur keinen Floh ins Ohr!«
»Nein, das nicht, aber Bill hat mich zur Premiere eingeladen, und ich überlege, ob ich meinem Patenkind nicht zuschauen soll – am Beginn seiner Karriere.«
»Erst soll er für seine Schule sorgen.«
»Typisch Mutter«, meinte ich.
»Würdest du das auch sagen, wenn du Kinder hättest, John?«
»Das wird mir wohl nicht vergönnt sein.«
Bill fing an zu lachen und sagte dann: »Was machst du denn, wenn plötzlich jemand anruft und dich als seinen Vater bezeichnet? Dann wirst du aber blöd aus der Wäsche gucken.«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Erzähl doch keinen Mist, Bill!« beschwerte sich Sheila.
»Wieso? John ist kein Chorknabe. Ist er nie gewesen, das kann ich behaupten. Wenn ich da an unsere Studentenzeit denke und an die…«
Diesmal war ich froh, daß sich das Telefon meldete, so konnte Bill nicht noch weiter in die Vergangenheit schweifen, die in der Tat sehr unruhig gewesen war. Und meine Mutter machte sich in so manch schlafloser Nacht Sorgen, im Gegensatz zu meinem Vater, der immer nur still in sich hineingegrinst hatte und sich überhaupt nicht darüber aufregen konnte. Schließlich hatte auch er mal studiert.
»Warum jetzt?« fragte Sheila.
»Vielleicht ist es Johnny.«
»Das glaube ich nicht. Er hat doch Probe.«
Der Apparat tutete noch immer, und ich fragte, ob ich abheben sollte.
»Nein, das übernehme ich«, sagte Bill nach dem fünften Tuten und hob den Hörer ab. Er saß dabei auf der Kante seines Schreibtisches, so konnten Sheila und ich ihn im Auge behalten. Hatte er bisher entspannt ausgesehen, so änderte sich dies schlagartig, als er den Namen des Anrufers erfuhr und diesen auch laut und deutlich wiederholte.
»Jack Tarlington?«
Ich saß plötzlich wie auf heißen Kohlen. Von einer Sekunde zur anderen war meine Entspannung verschwunden, zugleich merkte
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