0947 - Geballte Wut
mit letzter Kraft. »Nummer 4. Schnell. Er… braucht Sie, Zamorra!«
Dann wird die Welt schwarz.
Stille.
Zwischenspiel
Auszug aus dem Leitartikel der »Paris Midi«, Ausgabe vom 28. Juli 1934.
Liegt es an den politisch so turbulenten Zeiten, oder verliert diese Stadt allmählich den Verstand? Am gestrigen Nachmittag kam es auf der Linie 4 der Pariser Metro jedenfalls zu einem Zwischenfall, der an der geistigen Gesundheit so mancher Benutzer der hiesigen Verkehrsbetriebe zweifeln lässt: Unbekannte deponierten eine Bombe in einem Waggon der Metro! Zwar konnte das eigentlich unauffällige Päckchen von Mitarbeitern des Unternehmens rechtzeitig sichergestellt und aus der Bahn entfernt werden, doch tat das der entstehenden Tragödie keinen Abbruch. Die Mitarbeiter brachten ihren Fund zum Bahnhof Montparnasse, wo sich der Stationsaufseher seiner annehmen sollte - und genau dort detonierte der Sprengsatz, riss den Aufseher und einen seiner Mitarbeiter in den Tod und verletzte vier Passanten schwer.
Von den Tätern fehlt jede Spur. Die Gendarmerie schließt einen gezielten Anschlagsversuch nicht aus.
Bleibt die Frage: warum?
***
Auszug aus einem Artikel (Titelseite) der »Pariser Zeitung«, vom 21. April 1944.
Sehr geehrte Bewohnerinnen und Bewohner von Paris, fürchten Sie sich nicht. Bei der Bombardierung der Metro-Station Simplon (Linie 4) in der vergangenen Nacht handelte es sich nicht um einen Angriff Ihrer deutschen Freunde auf ein Wohngebiet Ihrer schönen Stadt, sondern um einen bedauerlichen Fehler des ortsunkundigen deutschen Bomberpiloten. Wir, die deutsche Wehrmacht, versichern Ihnen, dass wir alles in unserer Macht Stehende zu tun bereit sind, um den Betrieb der Station Simplon im achtzehnten Arrondissement baldmöglichst wieder aufzunehmen. Ein Angriff auf Ihre Wohngebiete und auf zivile Einrichtungen liegt nicht in unserer Absicht. Der Fehltritt unseres Piloten wurde bereits bestraft.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. gez. Heinrich von Schultheiß, Oberbefehlshaber
Kapitel 9 - Chagnaud
»Heiliges Kanonenrohr.« Rhett Saris ap Llewellyn ließ die Folianten sinken. »Irgendjemand schien da echt voll was gegen die Linie 4 gehabt zu haben.«
»Kann ich ihm nicht verdenken«, erwiderte Kathryne brummend.
Das Zimmer in der Rue Carbon war überraschend geräumig, wirkte allerdings wie ein Museum. Eines, in das seit Jahren kaum ein Besucher - oder ein Reinigungstrupp - einen Fuß gesetzt hatte. Staub und Dreck lag in den Ecken, auf den Regalen und Möbeln. Die holzverkleideten Wände waren wie Burgmauern, die das Innere des Raumes von der Außenwelt schützen sollten, und trugen zur unwirklichen Atmosphäre bei. Paris mochte nicht fern sein; gleich vor den verhangenen Fenstern mochten der Place de la Concorde und der Jardin des Tuileries auf Zamorra und seine Begleiter warten, doch hier drin war die Seine-Metropole nicht zu spüren. Weder sie noch irgendetwas anderes. Nur…
»Antworten«, murmelte Dylan McMour und ließ seinen Blick über die Regale voller Folianten schweifen. »Was immer hier los ist - ich schätze, in diesen Bänden finden wir zumindest ein paar Hintergrundinformationen. Was du da eben vorgelesen hast, Rhett, scheint mir schon in die Richtung zu gehen: zwei historisch verbürgte Attentatsversuche auf der Linie 4, der einzigen, die über die Île de la Cité führt… Wenn man bedenkt, was wir heute hier erlebt haben, kann das kaum noch als Zufall durchgehen.«
Das Team Zamorra hatte den in einem Zustand scheinbar steter Dämmerung gefangenen Raum erst vor Minuten betreten und versuchte seitdem, die Eindrücke, die er ihnen bot, auf sich wirken zu lassen. Sie zu sortieren und in einen Kontext zu betten, der ihnen weiterhalf. Doch der Erfolg blieb aus.
»Sehe ich ähnlich«, sagte Professor Zamorra nachdenklich. »Zumindest bietet uns diese Annahme eine Grundlage für weitere Überlegungen. Etwa für die Frage, warum uns Gaston - wer immer er gewesen sein mag - mit letzter Kraft zu dieser Adresse hier lotsen wollte. Einen wirklichen roten Faden zu all den Geschehnissen habe ich zumindest noch nicht ausgemacht. Ihr vielleicht?«
Dylan stieß einen leisen Pfiff aus. »Hallo, was ist das denn?«
Der ehemalige Dämonentourist hatte die Zinnwanne entdeckt, die mittlerweile in einer der schattigen Ecken des Zimmers stand. Als er sich hinüberbeugte und hineinsah, zuckte er zusammen. »Leute?«, fragte er drängend. »Leute, das solltet ihr euch ansehen!«
Kathryne, Rhett und
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